Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
Vom Netzwerk:
Kopf und blickte mir tief in die Augen. Sein Gesicht erfuhr eine merkwürdige Wandlung. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber alle Traurigkeit, alle Melancholie, die sich zuvor darauf abgezeichnet hatte, verschwand mit einem Schlag. Ein freudiges Leuchten erschien stattdessen. Der Augenblick dauerte nur kurz, doch ich zog mich, etwas verwirrt, aus dem Gespräch zurück. Mac Quiet plauderte angeregt mit Lisette, sah mir aber hin und wieder in die Augen, als müsste er sich vergewissern, dass ich noch dasaß. Ich war indessen müde geworden. Als der Fremde die Rede auf den Grafen gebracht hatte, waren mir Bilder der vergangenen Tage durch den Kopf geschossen. Nicht nur diese, eigentlich alle schrecklichen Erinnerungen, die ich an den Grafen hatte. Meine gute Laune von zuvor wollte sich nicht mehr einstellen. Wie konnte es auch anders sein, es tauchte Salvador in meinen Gedanken auf. Wie er sich auf den Weg gemacht hatte. Ob er schon bei seinem Vater angekommen war? Ich betete, dass er auf dem Weg nach Logorño nicht von Strauchdieben angegriffen wurde. Mir wurde alles zu viel. Ich wollte nach oben und ins Bett. Je schneller ich schlief, desto schneller würde die Zeit vergehen, die ich auf Salvador warten musste.
    Lisette riss mich mit einem Quietschen aus meinen Gedanken. Ich sah auf und betrachtete Lisette, wie sie auf einen Fremden wirken musste: zierlich und jung, reizend im Aussehen und ansteckend naiv in ihrer guten Laune.
    »Lisette, wieso quietschst du denn wie ein Ferkel?« Ich rief sie zur Ordnung.
    »Hast du nicht gehört, Lucienne? Argyle sagt, er besäße ein zahmes Eichhörnchen, das er mir schenkt, wenn du damit einverstanden bist.« Sie nannte den Fremden bereits beim Vornamen. Ich schüttelte den Kopf. Ich würde ihr bessere Manieren beibringen müssen. Lisette, die mein Kopfschütteln als Verneinung auf ihre Frage verstand, bettelte um Erlaubnis.
    »Bitte Lucienne! Lass es mich wenigstens ansehen. Ich habe noch nie ein zahmes Eichhörnchen gesehen. Darf ich?«
    Ich musste lächeln. In den Augen meiner Schwester lagen so viel Lebensfreude und Neugier, ich konnte ihr den Wunsch nicht abschlagen. Ich wandte mich an Argyle Mac Quiet. »Meinetwegen. Das heißt, wenn es Ihnen recht ist. Wir ziehen uns jetzt zurück. Lisette darf es sich ansehen, aber ob wir es behalten, kann ich nicht versprechen.«
    Lisette quietschte, sprang auf und stürmte Richtung Zimmer. Ich sah ihr kopfschüttelnd hinterher. »Sie müssen ihr Benehmen verzeihen, sie ist jung.«
    »Und wunderschön. Aber das seid Ihr auch«, sagte er und mir wurde kalt. Was wollte dieser Mann von uns? Ich bereute es bereits, ihn auf unser Zimmer geladen zu haben. Doch es war meine einzige Idee gewesen, um Lisette vorzeitig aus der Gaststube zu lotsen. Ich nickte ihm, wie ich hoffte, mit kühler Miene zu, und begab mich ebenfalls nach oben. Lisette hüpfte auf unserem Bett herum.
    »Wenn du so wild bist, wirst du das kleine Wesen verschrecken und dann will es bestimmt nicht zu dir.«
    Lisette hörte sofort auf. Für sie waren meine Worte bereits das Einverständnis, dass sie das Eichhörnchen behalten durfte.
    »Salvador wird staunen, wenn er sieht, dass jetzt doch ein wildes Eichhörnchen auf das Gut seines Vaters kommt. Aber es ist ja gar nicht wild, hat Argyle gesagt.« Sie kicherte und knetete ihre Hände.
    »Sir Mac Quiet, meinst du wohl.«
    »Sag ich doch. Wo bleibt Argyle denn jetzt?«
    Wie auf ein Zeichen klopfte es. Ich öffnete und ließ ihn eintreten. Er war groß gewachsen, wenn auch ein wenig untersetzt. Er füllte, so schien es, unser Zimmer ganz ungebührlich. Ich wich zurück, obwohl ich nicht sagen konnte, warum. An der Erscheinung des Mannes mit seinen freundlichen, strahlenden Augen und dem anziehenden Lächeln gab es nichts auszusetzen. Als hätte er meine Beklemmung gespürt, trat er einen Schritt zurück zur Tür. Lisette dagegen trippelte auf ihn zu und sah suchend an seiner Gestalt auf und ab. Wir konnten kein Eichhörnchen entdecken. Umso entzückter waren wir, als sich das, was wir für eine pelzige Mütze gehalten hatten, als das Eichhörnchen herausstellte. Mit einem frechen Keckern hatte es sich auf Mac Quiets dunklen Haaren aufgesetzt und mit einem weiteren Keckern war es auf Lisettes Schulter gesprungen.
    »Es hat seine Herrin gewählt«, sagte Mac Quiet und nickte. »Wenn Ihr einverstanden seid.« Er wandte sich an mich, beobachtete aber gleichzeitig das Eichhörnchen, das nun auf Lisettes ausgestreckter

Weitere Kostenlose Bücher