Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Hand saß und von ihr gestreichelt wurde. Ich nickte. Ich hätte ohne Gefühl sein müssen, um die beiden zu trennen. So behutsam hatte ich Lisette noch nie erlebt, jederzeit bereit, ihre Hand wieder zurückzuziehen, wenn es dem Tier nicht behagte. Doch es schien ihm zu gefallen.
Ganz im Gegenteil zu Mac Quiet. Der räusperte sich, schien noch etwas sagen zu wollen, entschied sich anders, verbeugte sich kurz vor uns und verließ den Raum.
Lisette sah erstaunt auf. »Wo ist er so schnell hin?«
»Vielleicht machte ihn der Abschied von seinem Eichhörnchen traurig«, sagte ich, bekam aber keine Antwort. Lisette verschwendete keinen weiteren Gedanken an die Gefühlslage des Schotten. Ich rief mich zur Ordnung. Ich hatte mir selbst schon viel zu viele Gedanken über diesen Mann gemacht. Schon über eine Stunde hatte ich kaum an Salvador gedacht. Ich legte mich auf meine Bettseite, schloss die Augen und träumte von ihm und der vergangenen Nacht. Lisettes leise Unterhaltung mit ihrem neuen Freund begleitete mich in den Schlaf. Nur einmal wurde ich noch aufmerksam: bei der Namensvergebung.
»Du kannst doch das Tier nicht Salvador nennen!« Ich war empört.
»Natürlich kann ich das. Salvador wird staunen, wenn er seinen Namensvetter sieht.« Lisette kicherte und ich hatte das Gefühl, das Eichhörnchen kicherte auch. Noch einmal, kurz bevor ich endgültig einschlief, gab es eine kurze Diskussion. Ich wollte nicht, dass Lisette das Tier mit ins Bett nahm.
»Du nimmst deinen Salvador mit ins Bett und ich meinen«, sagte meine Schwester keck und blies die Kerze aus.
Am nächsten Tag vertrieben wir uns die Zeit mit kindlichen Spielen. Die Hauptrolle erhielt Salvador Eichhörnchen. Es teilte Lisettes Leben, als ob es schon immer da gewesen wäre. Ich freute mich. Dieses kleine Wesen wischte alle schlimmen Erinnerungen, die auf ihrer Seele lasten mussten, weg.
In der zweiten Nacht träumte ich etwas Seltsames. Jemand war im Zimmer. Eine dunkle Gestalt beugte sich über mich, ich spürte den Druck eines Körpers auf mir. Ich wollte schreien, doch ich konnte nicht. Ich lag wie erstarrt und spürte, wie dieser Alb mich auf den Hals küsste. Heiße Kälte durchfuhr meinen Körper. Anders kann ich es nicht beschreiben, es war heiße Kälte. Ein merkwürdiger Traum … Ich schlief wieder ein. Allerdings nicht lange. Ich träumte von Salvador und dem Grafen. Wie der Graf ihn schlug und zwang, unseren Aufenthaltsort zu nennen. Die Lebendigkeit der Bilder schreckte mich erneut aus dem Schlaf und bald konnte ich keinen mehr finden. Als das erste Licht des Morgens ins Zimmer fiel, erhob ich mich und plumpste zurück aufs Bett. Mir war schwarz vor Augen geworden. Vorsichtig versuchte ich es nach einer Weile wieder. Es gelang mir mit wackligen Beinen. Ich wechselte auf den Platz vor dem Waschtisch und starrte mein Spiegelbild an, das im fahlen Morgenlicht ebenso fahl zurückstarrte. Ich rief mich zur Ruhe. Nach dieser Nacht war es kein Wunder, dass ich schlecht aussah. Ich entsann mich des schrecklichen Kusses und unwillkürlich wanderte meine Hand zu meinem Hals. Mein Entsetzen, als ich dort eine Schwellung spürte, war unbeschreiblich. Nachdem sich mein Herzschlag beruhigt hatte, näherte ich mich dem Spiegel, um mir die Stelle genauer zu betrachten. Sie war nicht besonders auffällig, aber da. War mein Traum kein Traum gewesen? Was um Gottes willen war mit mir passiert? Ich geriet in Panik, band mir Lisettes Schal um den Hals und versteckte das Mal. Als ob es dann nicht geschehen wäre.
Lisette rührte sich und ich zwickte mich in die Wangen, um ein wenig Farbe zu bekommen und meinen Zustand zu kaschieren. Kurze Zeit später sprang Lisette aus dem Bett, bemerkte, dass wir das Fenster aufgelassen hatten, zog sich an und plapperte mit Salvador Eichhörnchen. Ich kleidete mich ebenfalls an, musste mich allerdings mehrmals hinsetzen, da mir weiterhin schwindlig war.
Mein Versuch, das Grauen ungeschehen zu machen, brach in sich zusammen, als Lisette ungerührt feststellte, wie schlecht ich aussah. Unglücklich nickte ich und folgte ihr in die Gaststube. Ich hatte auf einmal einen Riesenhunger. Ungeduldig beobachtete ich die Wirtsleute, wie sie uns warmes Bier und Brot auf den Tisch stellten. Ich griff gierig nach dem Brot und biss hinein. Augenblicklich wurde mir schlecht und ich spuckte es wieder aus. Nur Lisette hatte diese kleine Szene mitbekommen. Die Verwirrung, die mich vor dem Spiegel ergriffen hatte, überrollte mich
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