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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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Blick des Grafen stand und reizte ihn damit noch mehr. Er holte aus, wollte mich schlagen, doch mit einer Reaktionsschnelle, die ich zuvor noch nie an mir erlebt hatte, wich ich aus.
    »Der Wein, Graf«, flüsterte ich. »Der Wein.« Ich war erstaunt, wie ruhig meine Stimme klang.
    Der Graf sah mich entgeistert an, dann brüllte er noch lauter. Das Eichhörnchen, das von diesem Radau aufgeschreckt auf den Tisch sprang, reagierte leider nicht so blitzschnell wie ich. Der Graf ergriff es. »Was für ein Vieh ist das?«, polterte er und drückte zu. Er zermalmte dieses arme, unschuldige Geschöpf in seiner Faust. Vor Lisettes Augen. Blut tropfte auf den Tisch. Meine Schwester schrie und wurde ohnmächtig.
    Ich wurde wild, sprang den Grafen über den Tisch an und schlug auf ihn ein. Hätten mich nicht drei seiner Männer zurückgehalten, ich hätte ihn erwürgt, wie er zuvor die kleine Kreatur.
    Sie schlugen mich bewusstlos. Als ich wieder zu mir kam, lag ich gefesselt und geknebelt neben Salvador am Boden. Ich zerrte an den Stricken und litt, weil ich Salvador nicht berühren, nicht trösten konnte. Aber womit hätte ich ihn trösten können? Wir waren dem Tod geweiht, da war ich mir sicher. Warum sollte uns der Graf am Leben lassen? Er brauchte Salvador nicht mehr. Und mich? Mich hatte er noch nie gebraucht.
     
    Die Gruppe brach bald auf. Ich wurde auf den Sattel gebunden, Lisettes Pferd von einem Mann geführt. Ich suchte nach Salvador – ihm hatten sie kein Pferd gegeben, sondern zerrten ihn an einem Strick hinterher. Salvador strauchelte, stürzte, wurde unter Gelächter der Männer mitgeschleift, bevor er sich aufrappelte und dem Tross folgte.
    Meine Hoffnung ruhte auf Almadar, den wir mittags treffen sollten. Als ich Stunden später in sein gealtertes Gesicht blickte, gab ich auf. Zwar betrachtete er Salvador und mich mit gerunzelter Stirn, aber er handelte nicht. Er befahl seinen Männern aufzusitzen und ritt weit voran. Einzig der Abstand, den er zwischen sich und den Grafen brachte, konnte man als Kritik deuten.
    Louis kam des Öfteren vorbeigeritten und überschüttete mich mit Hohn. Er war es, der am lautesten lachte, wenn Salvador stürzte. Wie gern hätte ich meinem Liebsten aufgeholfen, wie gern Louis eine Ohrfeige gegeben! Ich zerrte an meinen Fesseln, resignierte und schloss die Augen. Ich wünschte uns nur noch eins: einen schnellen und gnädigen Tod.
    Erst, als es schon dunkelte, hielten wir an. Als unsere Nachhut am Lager ankam, brannten bereits die Feuer. Die Männer, die durch Salvador aufgehalten worden waren, beschwerten sich, dass ihre Kumpane bereits den Großteil des Weines getrunken hatten. Wütend begnügten sie sich mit den Resten. Ich bat um einen Schluck Wasser für Salvador, ich selbst war nicht durstig. Einer der Männer schüttelte den Kopf. »Der Brunnen ist trocken.«
    »Werfen wir sie in den Brunnen, vielleicht finden sie am Grund noch Wasser.« Ein anderer mischte sich ein. Die Meute applaudierte. Der Graf, angelockt vom Gelächter seiner Männer, hörte ihnen eine Weile zu. Ein gefährliches Glimmen stand in seinen Augen. Ich kannte dieses Glimmen, aber ich fürchtete es nicht. Was sollte schlimmer sein als der Tod? Er zeigte es mir.
    Er gab Anweisung, Salvador in den Brunnen zu werfen. Salvador blickte mir im Vorübergehen noch einmal in die Augen. So viel Liebe lag in seinem Blick – ich war mir sicher, ihn im Himmel wiederzusehen. Dann warfen sie ihn mit einer Bewegung über den Rand des Brunnens.
    Ich hörte keinen Schrei, nur den Aufschlag. Dann sah der Graf mich an. Die Männer erstarrten. Ich war seine Tochter. Was er mit Salvador machte, war eine Sache. Eine andere Sache war, was ein Vater mit seiner Tochter, mit seinem eigenen Fleisch und Blut, machte. Der Graf löste meine Fesseln. Dann befahl er mir, in den Eimer zu steigen, der neben dem Brunnen stand. Manch einer mag gemeint haben, dass er sich einen grausamen Scherz erlaubte.
    Ungläubige und spöttische Gesichter begleiteten mich. Manche bekreuzigten sich. Louis grinste. Ich fürchtete mich vor dem, was mich am Grund des Brunnens erwartete und hielt die Luft an. Das Herablassen dauerte eine Ewigkeit. Der Kübel kam halb auf Salvador auf, der leise stöhnte. Ich beeilte mich, aus dem Eimer zu steigen, der sofort hinaufgezogen wurde. Mein Blick folgte seinem Weg und ich sah die Köpfe der Männer, die mit Fackeln nach uns leuchteten. Sie wünschten uns ein schönes Leben. Ich hörte Gelächter, dann wurde es

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