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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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ich Schwester Theresa gegeben hatte, ließ mich innehalten. Ich hörte, wie mein Onkel nach mir rief. Mein Onkel? Er war nicht mein Onkel. Ich hatte keine Verwandten mehr. Allein die Neugier zog mich zu ihm. Ich wollte ihn fragen, woher ich stammte, wer meine Eltern waren. Ich bildete mir ein, er riefe mich, um mir das zu erzählen.
    Er erwartete mich an der Freitreppe. Hatte ich mir eingebildet, dass er nun, nachdem alles geklärt war, milder in seinem Urteil wäre, hatte ich mich gründlich geirrt. Er ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen.
    »Machst Lisette fast das Leben zunichte! Schäm dich. Spielst hier großes Theater und führst alle an der Nase herum.«
    Verstohlen wischte ich mir über den Mund. Hatte er begriffen? Hatte er mein Wesen erkannt?
    »Madame kann nicht in Gesellschaft speisen, Madame kann nur erscheinen, wenn die Sonne untergegangen ist und die Kerzen ihr trübes Licht verbreiten. Meinst du, ich bin blind?«, schrie er. »Einen Bastard trägst du unterm Herzen, so ist das.«
    Ich starrte ihn an. Der Gedanke war so abwegig, dass ich lauthals loslachte. Mein Gelächter brachte ihn aus der Fassung. Er schlug mich. Als er seinen Arm zurückzog, hielt ich ihn fest. Er war ein Mann und normalerweise hätte er sich von mir losgerissen. Doch der Schlag hatte die Kreatur in mir geweckt. Ich brach seinen Arm, als ob er ein Strohhalm wäre.
    »Fass mich nie wieder an«, knurrte ich und war froh. Froh für ihn, dass mir die Ziege über den Weg gelaufen war.
     
    Der erste Gedanke beim Erwachen ließ mich kerzengerade im Bett sitzen. Was sollte jetzt geschehen? Ich denke, es ergeht jeder Frau so, wenn sie erfährt, dass sie ein Kind erwartet, aber bei mir lagen die Dinge komplizierter.
    Schwester Theresa hatte bereits alles geregelt. »Ich habe mit den Männern gesprochen. Wir sind übereingekommen, dass du das Kind in Mauern eines Klosters zur Welt bringen solltest. De Segura wird das Kind nicht als seinen Enkel anerkennen, aber für sein Wohl sorgen.« Schwester Theresa sah, dass mir der Zorn in die Wangen stieg, und redete ohne Unterbrechung weiter. »Lisette und Pierre wollen dich nicht mehr sehen; sie verbannen dich aus der Familie. Orlando versteht nicht, was geschehen ist und lässt dich herzlich grüßen.« Schwester Theresa setzte sich zu mir ans Bett und strich mir übers Haar. Bei den Worten, dass Lisette mich nicht mehr sehen wolle, zerbrach etwas in mir. Wenn sie auch nicht meine leibliche Schwester war, war sie die Schwester meines Herzens und würde es immer bleiben.
     
    *
     
    Comitti ließ einen Moment verstreichen, bevor er sich räusperte.
    »Da soll einer drauf kommen«, knurrte Arconoskij und schlug die Augen auf. Das feine Lächeln, das ansonsten seinen Mund umspielte, war verschwunden. Sein Blick war hart, er wirkte erregt und seltsam zornig. »Glauben Sie das?«
    Comitti wusste es nicht. Bisher erschien ihm die Biografie, wie die eines Menschen, der eine merkwürdige Krankheit durchmachte. An Vampire mochte er nicht glauben.
    »Nun«, sagte er vorsichtig. »Ich denke, im sechzehnten Jahrhundert war man medizinisch nicht so bewandert. Heutzutage gibt es ebenso Fälle von Menschen, die das Sonnenlicht nicht vertragen. Mir ist der Name entfallen …«
    »Erythropoetische Protoporphyrie, kurz EPP.«
    Comitti blieb der Mund offen stehen. »Respekt, Arconoskij.«
    »Eine Verwandte von mir leidet daran. Sie kann sich nicht in die Sonne wagen. Ich habe versucht, ihr zu helfen, und so viel wie möglich darüber gelesen.« Arconoskijs Gesicht blieb ausdruckslos, aber der Pater spürte, dass ihm diese Verwandte nicht gleichgültig war.
    »Das tut mir leid.« Comitti trank einen Schluck, weil er nicht wusste, was er noch sagen sollte.
    »Ich glaube nicht, dass es sich um einen Fall von EPP handelt.« Arconoskij nahm den Faden auf. »EPP würde nicht erklären, warum Lucienne keine Nahrung mehr benötigte. Auch wenn es Ihnen unglaublich erscheint, bin ich mir sicher, dass es sich um Vampirismus handelt.«
    Comitti war überrascht, aber auch erleichtert. Er hätte es zuvor nie zugegeben, aber mittlerweile war er nachdenklich geworden. Theresa von Avila glaubte daran und war der Meinung, dass Gott mit diesen Kreaturen etwas vorhatte. Doch was? Wenn Lucienne wirklich ein Vampir war, was hatte das heutzutage mit dem Vatikan zu tun? Er verstand es nicht und das machte ihn wütend. Er brach ein Stück Weißbrot ab, umwickelte es mit Parmaschinken und schob es sich in den Mund. Die Tatsache, dass

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