Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
Arconoskij hier saß und die Geschichte glaubte, machte ihn unsicher. Er zuckte mit den Schultern und sah Hilfe suchend zu Arconoskij. Dieser hatte sein Lächeln wiedergefunden.
»Ich denke, es ist das Beste, wir lesen weiter. Es hat keinen Sinn, sich zu drehen und zu wenden. Wir brauchen Fakten.«
Comitti seufzte ergeben, trank einen Schluck Wein und räusperte sich. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sein Gegenüber auf eine bestimmte Textstelle wartete. War es Arconoskij, der sich einen Scherz mit ihm erlaubte? »Lesen Sie weiter, Comitti. Wir vertun unsere Zeit.« Die unwirsche Stimme Arconoskijs holte den Pater aus seinen Gedanken.
Glaube
1563
Das Kloster St. Josef in Avila sollte meine neue Heimat werden. Es war erst neu errichtet worden und stand halb leer. Da es kein einziges Buch gab, lenkte mich nichts von meinen Gedanken ab. Ich hatte mich noch nicht damit abgefunden, dass Lisette mich nicht mehr sehen wollte. Ich schrieb ihr jede Nacht und hoffte jede Nacht auf Antwort, die nicht kam. Der Umstand, dass Theresa nachts im Allgemeinen zu müde war, um mir Gesellschaft zu leisten, ließ mir genug Zeit, um über mein Leben nachzudenken.
Ich hatte alles verloren.
Meine Familie, meinen Liebsten, mein Leben. Das Einzige, was mir blieb, war der Schutz der Kirche. War das nicht immer so gewesen? Hatte ich mich nicht schon auf dem Gut Viellvient in der Kirche versteckt, um dem Grafen zu entgehen? War die kirchliche Gemeinschaft die letzte Familie, die mir blieb?
Theresa, der letzte Mensch, der mit mir sprach? Der mittlerweile so wenig mit mir sprach, da er den Tag über mit Priestern, Novizinnen, Handwerkern und Gott sprach?
Ich tat es ihr nach. Ich sprach mit Gott über meine Angst. Meine Angst, welcher Natur mein Kind sein würde. Würde es ein Vampyr sein wie ich oder ein Mensch wie sein Vater? Dass es wuchs und lebte, spürte ich an seinen Tritten, die mir das Gefühl gaben, nicht allein zu sein.
Kurz vor der Niederkunft teilte mir Theresa mit, dass sie den Vikar des Klosters, Alvarez, eingeweiht hatte.
»Versteh mich bitte«, bat sie, »ich musste ihm von dir und allem, was dir zugestoßen ist, in der Beichte erzählen. Mir ist die alleinige Verantwortung zu groß geworden.«
Mein Blick hastete zur Tür, als ob im nächsten Augenblick die Inquisition hereinbrechen könnte.
»Er ist an das Beichtgeheimnis gebunden.« Sie versuchte, mich zu beruhigen. »Wir sind der Meinung, dass du das Kind nicht behalten kannst. Alvarez wird sich um einen guten Platz kümmern.« Sie setzte sich, ich sprang auf.
»Wie kannst du das über meinen Kopf hinweg entscheiden? Ich dachte, ich könne dir trauen.«
»Versteh doch. Selbst, wenn es ein gesundes Kind sein sollte, worum ich Gott anflehe, kann es nicht bei dir bleiben.«
»Es ist mein Kind!«
»Was willst du tun, wenn es krank wird? Wenn es tagsüber deine Hilfe braucht? Soll es nachts mit dir durch die Gänge wandeln? Willst du das für dein Kind?«
»Natürlich nicht. Aber wie konntest du mich verraten?« Ich lenkte von dem Thema ab, mit dem ich noch lange nicht fertig war. Ich war mir sicher, ich würde eine Möglichkeit finden, mein Kind aufzuziehen.
»Mir wurde die Verantwortung zu groß. Für dich allein wiegt sie schon schwer. Jetzt noch dein Kind.« Theresa stützte ihren Kopf auf beide Hände. »Ich kann nicht mehr. Verzeih mir.«
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir jetzt erst ihre Erschöpfung auffiel. Sicherlich lag es an den vielerlei Arbeiten, die sie sich aufbürdete, an dem mangelnden Schlaf, ihrem nächtelangen Schreiben. Ganz sicher aber stand eine Ursache für ihre Ermattung vor ihr. Ich war die Bürde. Die Entdeckung meiner wahren Natur musste durch absurde Ausreden vermieden werden. Lüge um Lüge musste für mein merkwürdiges Verhalten gefunden werden. Ich begriff mit einem Mal das volle Ausmaß dessen, was Theresa auf sich nahm.
»Du musst mir verzeihen.« Ich sah beschämt zu Boden. »Du musst ständig für mich lügen. Die Gebote des Herrn für mich brechen.«
»Solange ich nicht das fünfte Gebot brechen muss«, Theresa stand auf und schenkte mir ihr ironisches Lächeln, für das ich sie liebte. »Du sollst nicht morden«, sagte sie und nahm mich in den Arm.
Im Winter kam mein Sohn zur Welt. Er sah aus wie sein Vater und ich liebte ihn vom ersten Moment an. Schon in der zweiten Nacht war er weg.
Kein Betteln, kein Toben half, Alvarez hatte ihn getauft und zu seinen neuen Eltern gebracht. Wer
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