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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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nichts, außer, dass ich an ihrem Unglück schuld war. Pierres Blick war rätselhaft. Er wägte etwas ab, schüttelte den Kopf, murmelte eine Entschuldigung und ließ uns allein. Ein ungutes Schweigen legte sich über den Raum, dann sprang Lisette auf und schrie mich an.
    »Nur weil Salvador tot ist, gönnst du mir Orlando nicht. Niemand in der Familie ist krank. Du bist verrückt!«
    Schwester Theresa versuchte, Lisette festzuhalten, damit wir mit ihr reden konnten, doch sie riss sich los. Kurz vor der Schwelle drehte sie sich um. »Ich hasse dich«, schrie sie und knallte die Tür.
    Schwester Theresa packte ihr Nähzeug. »Wir hätten gar nicht erst hierherkommen dürfen. Es gibt keinen Platz mehr für dich unter den Lebenden«, raunte sie mir im Vorübergehen zu.
     
    De Segura und ich blieben allein zurück.
    Lisettes Ausbruch brachte mich auf eine Idee. »Lisette hat recht. Es war die Eifersucht, die mich zu dieser Lüge trieb. Ich wollte die Hochzeit verhindern. Ich bitte Euch, zerstört das junge Glück nicht.«
    De Segura sah mich nicht an. Er blickte zur Tür, durch die Pierre erneut trat.
    »Ich zerstöre kein Glück. Wenn ein Paar keine gesunden Kinder auf die Welt bringen kann, ist ihm von vornherein kein Glück gegönnt.«
    »Aber ich schwöre Euch, dass ich die Krankheit erfand. Es gibt keinen Grund, die beiden zu trennen.«
    »Wo Rauch ist, ist auch Feuer.« De Segura funkelte mich an. Pierre setzte sich, nur seine Blicke folgten unserer Unterhaltung.
    »Woher, wenn Ihr es nicht aus nächster Nähe wüsstet, solltet Ihr diese Krankheit kennen?« De Segura zog weiter seine Schlüsse. »Ihr habt Euch gestern Abend verraten und es war nicht, weil Ihr Lisette die Verbindung nicht gönnen würdet, sondern weil Ihr von meiner Frage überrascht wart.«
    »Welcher Frage?« Nun mischte Pierre sich ein, der den Wortwechsel bisher still verfolgt hatte.
    De Segura wandte sich an Pierre. »Ich fragte sie, warum sie auf einer Seite das Sonnenlicht meidet und immer erst erscheint, wenn es dunkel ist. Warum sie nicht mit uns speist und als Erklärung für dieses Verhalten eine Scheu vor Menschen angibt und auf der anderen Seite die Gesellschaft von Menschen so sehr genießt.«
    Pierre musterte mich von oben bis unten.
    »Du schamloses Wesen«, sagte er angeekelt. Er atmete tief durch und ich erkannte, dass er eine Entscheidung gefällt hatte. »Es fällt mir nicht leicht, ich habe geschworen, kein Wort darüber zu verlieren. Die Umstände lassen mir aber keine Wahl.« Er riss ein Pergament aus der Innenseite seiner Jacke und warf es de Segura hin, der es las.
    »Dann ist Lucienne gar nicht Lisettes Schwester?« De Segura sah von den Papieren auf.
    »Ich kannte Luciennes Vater. Ich selbst brachte sie nach einer schrecklichen Tragödie zu meinem Bruder und hoffte, sie würde eine Bereicherung für meine Familie werden. Wie konnte ich ahnen, dass sie alle ins Unglück stürzt!«
    Ich stand wie erstarrt. Augenblicklich begriff ich, warum mich der Graf wie eine Dienstmagd behandelt hatte. Ich war nie mehr für ihn gewesen!
    »Jetzt steht der Verbindung unserer beiden Häuser nichts mehr im Wege«, sagte Pierre und sah de Segura herausfordernd an.
    Dieser war, genau wie ich, beschäftigt, diese Ungeheuerlichkeit zu verdauen.
    Ich begriff in einem Moment alles und im nächsten nichts. »Aber …« Ich wandte mich an Pierre.
    »Du schweigst«, zischte er mich an. »Was ist wegen dir nicht alles geschehen. Ich verfluche den Tag, an dem ich dich zu mir nahm. Verschwinde, wir sprechen später.«
    Ich floh aus dem Zimmer und rannte in die Nacht. Ich hatte nur einen Gedanken: Lisette war nicht meine Schwester.
    Endlich verstand ich die Ungerechtigkeiten, denen ich mein Leben lang ausgesetzt war. Jetzt passte alles zusammen. Lisettes Schönheit, ihr blondes Haar – genau wie das von Louis. Mein dunkles Haar – wie hatte ich so blind sein können?
    Ich zitterte vor Wut und Enttäuschung und fand mich im Garten wieder. Zum Glück begegnete ich keiner Menschenseele. Das erste Lebewesen, auf das ich traf, war eine Ziege. Kaum wurde ich ihrer ansichtig, vergrub ich meine Zähne in ihr Fleisch und trank ihr Blut. Es war das erste Mal, dass ich ein Lebewesen tötete. Das erste Mal, dass ich es mit der Leidenschaft eines Vampyrs tat. Ich empfand keinen Ekel, auch kein Entsetzen. Es war natürlich, das spürte ich. Das war meine wahre Natur. Ich hatte Lust, ins Haus zu gehen und alle umzubringen. Allein der Gedanke an den Schwur, den

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