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Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)

Titel: Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Günder-Freytag
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Euch zunächst befremdlich wirken muss, da Ihr zurückgezogen im Kloster lebtet. Aber glaubt mir, wenn Ihr Euch erst daran gewöhnt habt, Euch nicht länger verbergen und verstellen zu müssen, dann werden unsere kleinen Feste auch Euch viel Spaß bereiten.« Wieder tätschelte er meine Hand.
    Ich war mir sicher, dass ich an diesem Abschlachten nie Gefallen finden würde. Diesen Gedanken behielt ich allerdings für mich. Ich hatte wieder meinen dunklen Raum geöffnet und dankte Argyle, dass er mir diese Möglichkeit rechtzeitig gezeigt hatte. Meine Gedanken waren voller Schrecken, voller Angst. Noch schlimmer: Meine Gedanken waren voller Hass. Als ich den Tisch hinabblickte und die aufgekratzte Gesellschaft betrachtete, fragte ich mich, worin der Unterschied zwischen ihnen und Tieren lag. Sofort nahm ich die Tiere in Schutz. Diese Kreaturen hier waren schlimmer. Ich merkte, dass Miguel misstrauisch wurde, weil ich keine Gedanken für ihn übrig hatte. Rasch dachte ich ganz offen, wie grässlich ich das alles fand. Ich musste diesen Gedanken nicht zurückhalten. Er war, wie ich annahm, an meinem Gesicht abzulesen. Ich dachte, dass eine Frau, die links von mir saß, zu dick war. Ich sah, wie sie zusammenschrak. Also lauschten auch diese Kreaturen auf meine Gedanken. Eine grässliche Vorstellung. Ich wechselte, wie ich hoffte, immer rechtzeitig in meinen dunklen Raum, bevor mir ein kompromittierender Gedanke entfloh.
    Miguel hatte sich in Positur gesetzt. Jetzt erst fiel mir auf, wie stutzerhaft er war. Er hatte seine schlanken Beine so gestellt, dass alle Augenpaare auf ihnen ruhen mussten.
    Überhaupt wartete er so lange mit vorwurfsvollem, schmollendem Blick, bis er sich der gesamten Aufmerksamkeit sicher sein konnte. Er wirkte wie ein verzogenes Kind. Ich war froh, dass ich nicht für seine Erziehung verantwortlich war. Als ich mir vorstellte, wie alles anders gekommen wäre, wenn man ihn mir nicht weggenommen hätte, wurde ich traurig. Ich hoffte, ich könnte wieder gutmachen, was ich gezwungenermaßen versäumt hatte. Miguel schenkte mir einen liebevollen Blick. »Ihr sollt Euch nicht grämen, Euch trifft keine Schuld an unserer Trennung. Ich will Euch erzählen, wie ich zu dem wurde, was ich heute bin.« Mit einer einzigen Handbewegung schloss er all diese Vampyre ein, die seinen Hofstaat bildeten. Ich war sicher, eine Handbewegung von ihm konnte ein Todesurteil bedeuten. Ich musste meine Gedanken kontrollieren. Die Tür öffnete sich und Mac Quiet trat ein.
    »Ah, unser Abstinenzler. Komm her, Argyle, setz dich zu uns.«
    Mac Quiet verbeugte sich höflich und nahm einen Stuhl, um ihn in unsere Nähe zu rücken. Ich fühlte mich geschützter und schalt mich im nächsten Moment für meine absurden Gefühle. Der Mann, der mich zum Vampyr gemacht hatte, setzte sich neben mich und ich fühlte mich sicherer? Ich hätte ihn hassen, ihn verachten müssen. Im Augenblick jedoch war ich froh, dass er da war.
    »Wie schön, dass ihr euch endlich kennengelernt habt«, unterbrach Miguels Stimme meine Gedanken. »Es besteht eine Bindung zwischen denen, die sich die Gabe geben. Jetzt, da meine Mutter in unsere Mitte getreten ist, kann ich es spüren – es ist ein besonderes Band.« Er drückte meine Hand.
    Seine war warm, fiel mir auf. Dann war er kein Vampyr? Konnte ich ihn retten?
    »Das ist es, was ich von Euch erhoffe, Mutter: Rettung!« Miguel seufzte theatralisch. »Aber ich greife voraus. Ich bin manchmal zu stürmisch.« Er lachte, die Vampyre lachten ebenfalls. Wie hypnotisiert reflektierten sie jede seiner Äußerungen.
    Einzig Mac Quiet schien außerhalb des Bannes zu stehen. Ich konnte spüren, dass er das Schauspiel verurteilte. Aber warum? Er war einer von ihnen. Miguel wartete, bis Stille eintrat, dann setzte er sich geziert in Position, und erzählte. Dreißig Augenpaare hingen an seinen Lippen.
     
    *
     
    »Ein grässlicher Kerl.« Comitti nippte an seinem Wein. In dieser Nacht wurde wenig geredet, fiel ihm auf.
    Arconoskij wirkte verschlossen, sein Blick gehetzt. Er antwortete dem Pater nicht, sondern starrte an die gegenüberliegende Wand.
    »Ich habe gedacht, die Kirche hätte Miguel getestet.« Comitti überlegte laut. »Wie kann er dann ein Vampir sein?«
    »Er ist kein Vampir«, knurrte Arconoskij.
    Comitti sah sein Gegenüber prüfend an. Was erregte ihn so? Die ganze Nonchalance, die er zuvor an den Tag gelegt hatte, war wie weggeblasen.
    »Aber was ist er dann?« Comitti ließ nicht

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