Vatikan - Die Hüter der Reliquie (German Edition)
lachte. Er sprühte vor Charme. Gegen ihn erschien der Saal, der von unzähligen weißen Kerzen erleuchtet wurde, dunkel. Es konnte jedoch auch daran liegen, dass man die Spiegel, die zu früheren Zeiten die Seiten geziert hatten, entfernt hatte.
Warum das so war, darauf konnte ich mir keinen Reim machen. Der Raum wirkte durch das Entfernen der Spiegel düsterer, dunkler.
»Warum wurden die Spiegel entfernt?«, fragte ich Miguel, nur um überhaupt etwas zur Unterhaltung beizutragen.
»Wenn eine Sache keinen Nutzen hat, meine Liebe, dann entfernt man sie doch lieber, bevor man die Damen immer wieder traurig stimmt. Was meint Ihr?«
Ich verstand den Sinn des Satzes nicht, doch ich nickte und war froh, als er sich wieder seinem Tischnachbar zuwandte und mich mit meinen Gedanken allein ließ.
Meinen Gedanken! Ich musste den dunklen Raum wieder verlassen, wie es mich Argyle gelehrt hatte. Aber bevor ich die vorgestellte Türklinke in die Hand nahm, schoss mir ein Gedanke durch den Kopf, bei dem ich froh war, dass mich noch kein anderer hören konnte. Hatte mir Miguel vorhin auf meinen Gedanken geantwortet? Vorhin, als ich mich noch nicht in meinem dunklen Raum befand? Ich hoffte, dass dem nicht so war.
»Ich sehe, Mutter, Ihr seid irritiert. Doch zerbrecht Euch nicht Euer hübsches Köpfchen. Ich werde Euch alles erklären.« Er tätschelte meine Hand.
Ich schenkte ihm ein Lächeln, bei dem ich mich fragte, woher ich die Kraft dafür nahm und verließ meinen dunklen Raum. Wo blieb das Essen, fragte ich mich. Nichts stand auf dem Tisch außer Blumen und Kerzen. Alle schienen auf das Essen zu warten. Ich wartete mit gewissem Unbehagen, da ich wieder einmal Unpässlichkeit vortäuschen musste. Wie sollte ich sonst erklären, dass ich nicht am Diner teilnehmen konnte?
Die Türen öffneten sich im selben Augenblick und ein zustimmendes Gemurmel erhob sich am Tisch. In den Raum traten zehn bäuerlich gekleidete Menschen, die von zwei Dienern flankiert wurden. Sie trugen keine Speisen und ich fragte mich, was das sollte. Ich drehte mich fragend zu Miguel, der mit belustigtem Blick auf seine Gäste sah.
»Wollen wir ein Tischgebet sprechen? Nun, da meine Mutter anwesend ist, und sie, wie ich euch erzählte, viele Jahre im Kloster verbracht hat.« Er kicherte.
Die Gäste sahen zu ihm, sahen zu mir, lachten pflichtschuldig und wurden unruhig.
»Na gut, dann ohne Tischgebet.« Miguel klatschte in die Hände »Das Buffet ist eröffnet.«
Was nun folgte, war so grauenhaft, dass ich es kaum schildern kann. Die vornehmen Damen und Herren verwandelten sich innerhalb eines Augenblicks in reißende Bestien. Sie fielen über die Menschen her, die schreiend zu fliehen versuchten. Die Türen waren versperrt worden. Die Menschen hatten keine Chance. Miguels Gäste ergriffen einen um den anderen und versenkten ihre Zähne in seinem Fleisch.
Wenn der Mensch leblos liegen blieb, trat ein Diener hinzu und brach ihm den Nacken. Noch nie in meinem Leben hatte ich solch ein Grauen erlebt. Erst, als der letzte Bauer zu Boden gegangen war, kehrte die Gesellschaft an ihre Plätze zurück. Ich war selbst ein Vampyr, aber so etwas hätte ich nicht für möglich gehalten. Mir graute. Der einzige Trost, den ich hatte, war, dass Miguel nicht an diesem Massaker teilgenommen hatte. Aber er hieß es gut. Er hatte gelacht, als ein junges Mädchen missbraucht wurde, während andere es aussaugten. Er hatte den kopulierenden Mann angefeuert. Ich wollte den Saal verlassen, doch eine eiserne Hand hielt mich zurück.
Den Damen und Herren, die nun mit erröteten Wangen und funkelnden Augen am Tisch saßen, wurden Tücher gereicht, damit sie ihre Gesichter von dem Blut reinigen konnten. Ich wollte nicht länger an dieser Gesellschaft teilhaben.
»Ihr wollt doch nicht schon frühzeitig mein kleines Fest verlassen? Zunächst erzähle ich Euch meine Lebensgeschichte.«
Ich wollte sie nicht hören. Jegliche Freude, die in mir erwacht war, als ich hörte, dass ich meinem Sohn begegnen sollte, war erloschen. Er hatte sich zwar nicht selbst an der Orgie beteiligt, doch er hatte sie arrangiert und amüsierte sich. Hatte ich ein Monster geboren? Kurz erinnerte ich mich daran, dass man meine Gedanken lesen konnte, doch es war mir gleich. Sie sollten alle wissen, was ich von ihrem schändlichen Benehmen hielt. Ich verabscheute die ganze Gesellschaft. Ich hatte nur noch einen Wunsch: Ich wollte aus dem Saal und zu Lisette.
»Nun, ich verstehe, dass so ein Fest auf
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