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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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tönt ihm gleich.«
     
    »Magst du auch weichlich sein, so tadle doch nicht meine Willensstärke.«
    »Lass uns gehen. Fest liegt um ihn das Eisennetz.«
    Er hört das Zischen der Stimme ganz in seiner Nähe, direkt an seinem Ohr, trotz des Orkans aus weißem Rauschen und seinem ... Himmel, das ist kein Stöhnen, kein Seufzen, kein Klagen und auch kein Schreien. Was für ein entsetzliches Geräusch ist das?
    »Wie steht es jetzt um deinen Stolz?«, sagt Krafft. »Raub nun der Götter Gut und beschenk die Sterblichen. Vermögen deine Knechte dir in deiner Qual zu helfen? Falsch haben wir dich wohl den Vorbedächtigen geheißen. Oder siehst du vielleicht voraus, wie du dem Schicksal kannst entfliehn?«
    Und Seamus spürt, wie sich seine Lippen öffnen, und er hört das Brüllen, das aus seinem Mund kommt — das Brüllen von tausend Flüssen.
     
     
    Ein Unterstand an der Somme, 28. Juni 1916
     
    Schmidt tritt einen Schritt zurück und betrachtet den verrückten Iren, den er in einer Ecke des Unterstandes an den Stahlrahmen eines Bettes gekettet hat. Von dem, was um ihn herum vorgeht, bekommt er anscheinend nichts mehr mit, aber er brabbelt weiter besoffen vor sich hin. So etwas hat Schmidt noch nie gehört, und es jagt ihm gewaltige Angst ein. Heilige Scheiße: Er hat die anderen Paddies gälisch reden hören und er weiß, so klingt das nicht. Die Jungs von den Royal Dublin Fusiliers sprechen in einem singenden, weichen Tonfall — diejenigen zumindest, die von diesem Finnan befehligt werden. Es heißt, sie seien nach dem Gemetzel von Gallipoli von der Siebten zur Ersten abgeordnet worden. In erster Linie Studenten vom Trinity, diese Jungs. Sie hätten die Offizierslaufbahn einschlagen können, aber sie wollten bei ihren Freunden sein. Ziemlich feine Pinkel, verglichen mit den anderen Rabauken. Aber dieser Finnan ist die Ausnahme. Eher der Rabauke unter den feinen Pinkeln. Und was für eine Sprache er da auch reden mag, das weiche Irisch seiner Kumpels ist es nicht. Es ist etwas ... anderes.
    Krafft kommt herüber und tritt Finnan ein letztes Mal in die Magengrube. Dann dreht er sich rasch um und verlässt mit großen Schritten den Unterstand, Metzger dicht auf den Fersen. Typische Rotkappen, denkt Schmidt. Eine aufgeplatzte Lippe und eine blutige Nase, und die Augen werden auch eine Woche lang blau sein — sie haben ihn wirklich nach Strich und Faden verprügelt. Wenn er aufwacht, wird er ordentlich Schmerzen haben, und es wird nicht nur am dicken Kopf vom vielen Feuerwasser liegen.
     
    Der arme Kerl ist sowieso erledigt, denkt Schmidt. Vielleicht wäre nochmal alles gut gegangen, wenn er nur den Whiskey des befehlshabenden Offiziers geklaut hätte. Er wäre degradiert worden, das ja, und es hätte ein großes Tamtam gegeben. Wahrscheinlich wäre er vors Kriegsgericht gestellt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden — die er dann an der Front hätte ableisten müssen. Aber wenn die irischen Kerls auch nur die geringste Ähnlichkeit mit Schmidts eigenen Sheffield Pals haben, konnten sie etwas Ablenkung von dem, was sie getan haben ... und immer noch tun ... gut gebrauchen; das hätte sogar der Hauptmann einsehen können. Es gibt schlimmere Dinge, als dem Hauptmann den Whiskey zu klauen und ihn an einen Haufen verängstigter Burschen zu verteilen, schließlich hatte er es nur gut mit ihnen gemeint.
    Aber die Anklage lautet auf Volksverhetzung, und das ist etwas völlig anderes. Mit den Paddies gibt es schon genügend Ärger, seit sie vom Osteraufstand zu Hause gehört haben, ohne dass ihr Feldwebel durch den Schützengraben torkelt, wie ein verwunderter Bär rumbrüllt und von republikanischen Märtyrern erzählt — von MacDonagh und MacBride, von Connolly und Pearse. Warum zum Teufel kämpfen wir für die Briten, wenn sie zu Hause Iren töten? Das ist Verrat, wie man es auch dreht und wendet.
    Schmidt schüttelt den Kopf. Der Mann tut ihm leid. Ganz ehrlich. Aber wer so was sagt, fordert es geradezu heraus, an die Wand gestellt zu werden, schließlich sind die Soldaten von dem ganzen Gerede über eine Großoffensive schon unruhig genug.
     
    Finnan dreht sich auf den Rücken. Sein freier Arm fällt schlaff herab, greift nach einem eingebildeten Leuchtkäfer, und Schmidt weicht erschrocken zurück. Das Gemurmel verstummt für einen Moment und fängt dann wieder an, lauter als zuvor. Englisch ist das nicht, ganz klar, und wenn es auch kein Irisch ist, was dann? Schmidt hat den Krauts ein paar Sätze

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