Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
wäre nicht das erste Mal.“
Velten gefiel die Vorstellung, das jeder an seinen Schreibtisch spazieren konnte, nicht besonders. Er würde sich die Reinemachefrau einmal zur Brust nehmen. Mürrisch stieß er die Tür auf. Als er den Raum gerade betreten wollte, löste sich ein Schatten aus dem Halbdunkel. Velten schaltete zu spät und konnte nicht mehr ausweichen, als sich der Eindringling mit voller Kraft gegen ihn warf. Er wurde nach hinten gegen Katja geschleudert und ging mit ihr zu Boden, wobei er mit dem Kopf hart an die Wand schlug. Vor Schmerz und Schock wie paralysiert, registrierte er aus dem Augenwinkel, dass die schemenhafte Gestalt sich an den beiden Journalisten vorbei drängte und durch den Flur zur Treppe lief. Reflexhaft trat Velten nach dem Eindringling, um ihn zu Fall zu bringen, doch er verfehlte die Beine des Mannes.
Velten fluchte und versuchte, wieder auf die Füße zu kommen. Dabei kam ihm Katja, die sich ebenfalls aufrappeln wollte, in die Quere. Sie verloren ein paar wertvolle Sekunden.
„Ruf die Polizei!“, schrie er ihr schließlich zu, während er dem Einbrecher nachsetzte, der längst im Treppenhaus verschwunden war. Seine schweren Schritte auf den steinernen Stufen waren jedoch deutlich zu hören. Velten rannte ihm hinterher. Die Geräusche des Fliehenden verrieten ihm, dass der Mann in den Keller stürmte. Er hörte, dass einige Meter vor ihm, wo ein Gang zu mehreren Technik- und Lagerräumen abzweigte, eine Tür zugeschlagen wurde. Velten erreichte das Ende der Treppe, drückte die Klinke hinunter und sah in den Flur. Es war völlig finster. Er hatte wenig Lust, dem Unbekannten ins Dunkel zu folgen. Er tastete nach dem Lichtschalter und es schien ihm eine kleine Ewigkeit zu dauern, bis er ihn endlich fand und die Deckenlampen alles schlagartig in grelle Helligkeit tauchten. Velten sah sich nach einem Gegenstand um, mit dem er sich zur Not verteidigen konnte. In einer Wandnische hing ein Feuerlöscher. Er nahm ihn an sich. Das war zwar keine perfekte Waffe, aber etwas anderes stand ihm hier unten nicht zur Verfügung. Bis zum Äußersten angespannt machte Velten einen Schritt nach dem anderen in den Flur hinein. Es war totenstill. Vorsichtig öffnete er die erste Tür einen Spaltbreit. Er nahm den Feuerlöscher in beide Hände, wobei der stählerne Boden wie ein Rammbock nach vorne gerichtet war. Er stieß die Tür mit dem Fuß auf und sie krachte mit einem lauten Knall gegen die Wand. Ein Schwall nach Chemikalien riechender Luft kam ihm entgegen. Über den Löscher hinweg spähte Velten in das Halbdunkel. Links und rechts ragten deckenhohe Regale auf, in denen Druckerpapier und anderes Zubehör für Kopiergeräte lagen. Von dem Fremden war nichts zu sehen. Er wiederholte die Vorgehensweise im nächsten Raum, in dem jedoch nur Putzmittel lagerten. Keine Spur von dem Einbrecher. Es gab nur noch eine weitere Tür. Veltens Pulsschlag beschleunigte sich. Seine schweißnassen Finger schlossen sich fester um den Plastikgriff des Feuerlöschers. Wieder drückte er die Klinke nach unten. Die Tür öffnete sich ein paar Zentimeter. Er atmete tief durch und trat dann mit voller Wucht gegen das Holz. Die Tür sprang auf und stieß gegen irgendetwas, das scheppernd zu Bruch ging. Velten erkannte, dass er sich in einem L-förmigen Heizungskeller befand, der von seiner Position aus nicht vollständig einzusehen war. Er machte vorsichtig ein paar Schritte nach vorne und hob den Löscher ein wenig höher, bereit, ihm dem Fremden ins Gesicht zu stoßen, sollte der ihn attackieren. Er erreichte die Biegung und spannte jede Faser seines Körpers. Der Eindringling konnte sich nur hier befinden. Mit einem Schrei sprang Velten nach vorne.
Statt eines zu allem entschlossenen Angreifers sah er nur das zertrümmerte Kellerfenster. Der Mann war ihm entkommen.
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Der korpulente Streifenpolizist, der Renate Knabs Schreibtisch saß, schob seine Mütze nach hinten und blätterte ratlos in seinen Notizen: „Also, ich fasse zusammen. Sie wurden von einem Einbrecher überrascht und über den Haufen gerannt. Sie können mir aber nicht beschreiben, wie der Mann ausgesehen hat.“
„Der Flur war unbeleuchtet“, sagte Velten entschuldigend. Katja nickte.
„Sie sind dem Mann gefolgt, konnten ihn aber auch dabei nicht erkennen, richtig?“
„Das stimmt leider. Er war zu weit weg, ich konnte ihn nur hören.“
„Der Einbrecher entkam durch ein aufgebrochenes Fenster im Heizungskeller. Wir gehen davon
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