Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
nehmen. Mein Vater hatte schon mehrere Hunde und weiß mit ihnen umzugehen. Er hat sowieso mit dem Gedanken gespielt, sich wieder einen zuzulegen. Es wird sich dann zeigen, ob Lukas schon so weit ist, Verantwortung zu übernehmen.“ Ihr Blick verlor sich für einen Moment. „Es muss alles perfekt werden an Weihnachten.“
„Was soll schon schief gehen?“, fragte Velten verständnislos. „Er wird den Hund sehen, aus dem Häuschen sein und uns bis Neujahr nicht mehr beachten.“
„Du verstehst das nicht, weil du keine eigenen Kinder hast, du Holzkopf. Lukas bekommt in ein paar Tagen seinen ersten Hund. Er wird sich für den Rest seines Lebens immer wieder an diesen besonderen Tag erinnern. Ich will, dass er auch mit fünfundachtzig noch weiß, wie glücklich er damals war.“ Sie hatte tatsächlich Tränen in den Augen. „Verstehst du das, Max?“
Er küsste sie. „Ja, jetzt schon.“
„Dann hol die Post, Holzkopf.“
Kurz darauf kehrte Velten mit einer überschaubaren Ausbeute zurück. Neben einigen Rechnungen und der üblichen Werbung, die er sofort zum Altpapier warf, hatten nur das kostenlose Waldenthaler Anzeigenblatt und ein nicht adressiertes A5-Kuvert im Briefkasten gelegen. Er gab Nina den braunen Umschlag und blätterte aus professionellem Interesse die Gratiszeitung durch. Dort fanden sich zwischen den üblichen Anzeigenfriedhöfen hier und da ein paar kaum redigierte Pressemeldungen der Stadt und der Polizei sowie einige wenige Beiträge der sogenannten Redaktion. Die Club-Affäre war natürlich das beherrschende Thema und auch über den Erdrutsch am Industriepark Pfaffenwiese und den Leichenfund wurde ausführlich berichtet.
Währen Velten das Konkurrenzblatt studierte, hatte Nina den braunen Umschlag geöffnet. Er wollte sie eben fragen, ob sie die Zeitung lesen wollte, verstummte aber sofort, als er sie sah. Sie saß ihm kreidebleich gegenüber und hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Vor ihr auf dem Tisch lagen ein paar Fotos, die sich offenbar in dem Kuvert befunden hatten.
„Was ist los?“
Sie schob ihm wortlos die Aufnahmen zu. Es waren sechs Bilder, die Lukas auf dem Weg zur Schule beziehungsweise auf dem Pausenhof zeigten. Es dauerte eine Weile, bis Velten verstand, was diese Bilder bedeuteten.
„Um Gottes willen!“
„Ich muss sofort zu Lukas“, sagte Nina kaum hörbar und rannte aus der Küche.
Er überlegte kurz, ob er ihr folgen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Trotz des Schocks, den auch ihm der Anblick der Fotos versetzt hatte, konnte er noch klar genug denken, um zu wissen, dass Lukas sich im Augenblick nicht in Gefahr befand. Er griff zum Telefon und wählte die Nummer seiner Ex-Frau.
- - -
„Es ist wichtig, dass Sie jetzt nicht die Nerven verlieren“, riet Susanne.
„Keine Sorge, ich habe mich nach dem ersten Schrecken wieder im Griff“, sagte Nina tapfer. „Jedenfalls einigermaßen. “
Neben den beiden Frauen saßen auch Velten und Philip Germann am Küchentisch. Die Polizistin und der Staatsanwalt hatten nach Veltens Anruf nur zwanzig Minuten gebraucht, um zu Ninas Wohnung zu kommen.
„Es tut mir leid, dass wir Ihnen den freien Samstag verdorben haben“, entschuldigte sich Nina bei Susanne und ihrem Partner.
Germann winkte ab: „Kein Problem, wir sind ja vielleicht indirekt mitverantwortlich für diese Situation, weil wir Herrn Velten und Frau Marcks den einen oder anderen Tipp gegeben haben.“
Für niemanden am Tisch gab es einen Zweifel daran, dass die Fotos von Lukas eine Warnung waren. Velten sollte unmissverständlich klar gemacht werden, dass der Sohn seiner Lebensgefährtin in Gefahr schwebte, wenn er und Katja ihre Recherchen fortsetzen würden. Unklar war lediglich, ob es dabei um die Aufdeckung der illegalen Machenschaften von L&S Bau oder die Entlarvung von Tinas Hofers Mörder ging. Gut möglich, dass beides miteinander in Verbindung stand, dachte sich Velten.
„Frau Jost, es ist unwahrscheinlich, dass Lukas tatsächlich in einer konkreten Gefahr schwebt“, beruhigte Susanne. „Wer immer Ihnen diese Aufnahmen geschickt hat, will Max unter Druck setzen, indem er Sie einschüchtert. Aber trotzdem muss natürlich jedes Risiko ausgeschlossen werden. Ich schlage vor, dass Sie Ihren Sohn in der kommenden Woche erst einmal nicht zur Schule schicken.“
„Das habe ich mir auch schon überlegt“, erklärte Nina. „In den Tagen vor den Weihnachtsferien wird er nicht viel versäumen. Meine Eltern werden sich um
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