Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Renwick, S: Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Mists of Velvet - The Immortals of Annwyn Book Two
hatte sie von einem Liebhaber geträumt, der ihren Körper in Besitz nahm. Seine großen, warmen Hände hatten sie an Stellen berührt, die unter seinen Fingerkuppen aufzublühen schienen. Es war das erste Mal gewesen, dass sie von ihm geträumt hatte – nicht vom König, sondern von einem anderen: Es war ein Geliebter, den sie seither in jeder Nacht erträumte, nur um dann morgens in einem Zustand ungeminderter Qualen zu erwachen.
Ihre Zeit würde bald schon kommen, so dämmerte es ihr, während ihr die flüchtigen Bilder eines dunkelhaarigen Mannes mit großen, kraftvollen Armen und wunderschönen Händen durch den Kopf gingen. Allmählich kam sie zur Reife des Geschlechts – das war eine Zeit im Leben einer Göttin, spirituell und rein.
Nur dass die Gefühle und Bedürfnisse, die letzthin über sie hereinbrachen, mitnichten spiritueller Natur waren. Sie waren fleischlich, lüstern. Sie sehnte sich nach nichts anderem als Sex; sie verzehrte sich danach – in ihr brannte das Feuer der Leidenschaft. Fühlten sich andere Göttinnen ähnlich, oder war ihr eigenes Sehnen von Natur aus stärker? Musste sie gar ein stärkeres Bedürfnis haben, sie, die Göttin
der Fruchtbarkeit? Oder war dies lediglich eine weitere Abscheulichkeit, mit der sie zu leben hatte?
Jetzt, da sie zusah, wie der König und die Königin sich küssten, erwachte auch ihr eigener Leib zum Leben, genau wie in jener Nacht, als sie die beiden beim Liebesspiel beobachtet hatte.
Würde sie je in diesen Genuss kommen? Würde sie jemals einen Gefährten finden, der sie derart berührte? Oder würde sie für immer Cailleachs Sklavin bleiben, dazu verdammt, die Befriedigung einzig in ihren fieberhaften Träumen zu finden?
Während die anderen jungen Göttinnen in der Liebeskunst geschult wurden, hatte man Bronwnn davor behütet, ihr gar verboten, sich auf den geheiligten Akt des Verschleierns vorzubereiten. Die meiste Zeit war sie allein gelassen worden, daher bediente sie sich der uralten Schriften in der Bibliothek und eignete sich möglichst viel Wissen an, während sie gleichzeitig nach einer Lösung suchte, den Schmerz über das, was kommen würde, zu stillen. Sie fühlte sich zurückgesetzt, während die anderen Göttinnen von Annwyns Kriegern umworben wurden, die sich in einer Zurschaustellung männlicher Stärke einen Machtkampf um die Damen lieferten. Nur die Besten würden das Bett mit einer Göttin teilen, denn es bedeutete die höchste Ehre, bei einer von ihnen zu liegen. Jeder Mann träumte davon. Und jede Göttin war glücklich darüber, denn es gehörte zu ihren Pflichten, den Orden nicht nur zu erhalten, sondern auch die Bande mit den Bewohnern von Annwyn zu festigen.
Die anderen würden es erleben, während Bronwnn allein in ihrer Kammer sitzen und sich fragen müsste, wie es sich wohl anfühlen mochte. Vielleicht konnte sie sich ja in
den Schatten verbergen, um wenigstens bei etwas zuzusehen, das ihr auf ewig verwehrt bliebe.
Man hatte Bronwnn nie gesagt, warum sie von den anderen abgeschieden leben musste, doch sie hegte die Vermutung, dass es an ihrer ungewöhnlichen Macht lag, einer Macht, die Cailleach fürchtete. Daher hielt die oberste Göttin sie getrennt von allen anderen, ließ sie in Einsamkeit leben, von niemandem außer ihr beachtet. So ging sie sicher, dass Bronwnn immer in Sichtweite blieb – und in Reichweite. Es war, als beunruhige sie das, was die oberste Göttin in Bronwnns Augen erblickte.
Warum? War das, was sie in Bronwnn zu sehen glaubte, so schrecklich, dass sie sie von allen anderen fernhalten musste? Dieser Gedanke bereitete ihr schlaflose Nächte.
Die Liebenden lösten sich langsam, fast widerwillig aus der Umarmung, hielten sich aber immer noch an den Händen fest; dieses Bild trat nun anstelle der beunruhigenden Gedanken im Hinblick auf Cailleach. Der König war seiner königlichen Gemahlin sowie seinem Land Annwyn in Treue und Liebe ergeben. Aus diesem Grund hielt er sich heute hier auf. Er war Cailleachs Ruf gefolgt.
Die Königin stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn, und Bronwnn entging nicht, wie die Liebe in ihren Augen leuchtete, als sie auseinandergingen. Es war eine kluge Entscheidung, dass die Königin ihren König seinen Geschäften überließ, denn man würde sie hier im Tempel nicht gerade freundlich empfangen. Die oberste Göttin mochte sie nicht und akzeptierte sie nicht voll und ganz, denn die Königin war eine Sterbliche, und Cailleach betrachtete die Menschen als
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