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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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die »Stehende Frau« gehabt.
    »Wir setzen uns ein bisschen an den Rand«, wandte Harry ein, als Britt die beiden in die Mitte der Zuschauerreihen bugsieren wollte. »Falls Zoe mal rausmuss. Sie hat sich wohl irgendeinen Magenvirus eingefangen.«
    »Hoffentlich nichts Ernstes.« Britt fasste ihr fürsorglich an den Oberarm, wobei ihre Armreifen klimperten.
    »Ach was, Harry übertreibt.« Zoe machte einen quicklebendigen Eindruck. Sie hatte vor Aufregung gerötete Ohren, die bei den kurzen blonden Haaren besonders auffielen.
    »Giovanni hat sich auch den Magen verkorkst«, flüsterte Doris. »Oder vielmehr den Darm. Von den besten sarde in saor der Stadt, bei Filippo.« Sie grinste verstohlen.
    Halb zwischen den Zuschauerreihen verborgen befand sich ein etwa einen halben Kubikmeter großer schwarzer Kasten, auf dem ein rot leuchtender Knopf prangte. Im Raum verteilt standen mehrere reichlich ramponierte Blechspinde, wie man sie in Umkleideräumen von Industrieunternehmen findet. In ihrem Inneren waren Lautsprecher aufgehängt.
    Die drei Künstler hatten sich an unterschiedlichen Stellen des Raumes postiert. Ein bärtiger Typ in einem weißen Overall, einer lächerlich neu aussehenden Werkzeugweste und mit einem Bauhelm saß an einer Art Mischpult hinter einem gefährlichen Gewirr aus Kabeln, verschiedenen Sirenen und einer an einen Schlauch angeschlossenen Posaune. In einer Ecke hatte sich ein Japaner, der mit seinem breiten Stirnband wie ein Samurai oder Kamikazeflieger aussah, hinter allerlei Schlaggerät eingerichtet: Trommeln, aber auch ein ramponierter Kunststoffbehälter und so etwas wie alte Keramikscherben. Er wartete darauf, die Teile mit verschiedenem Handwerkszeug und Stahlbürsten zu bearbeiteten. In seiner Nähe stand die bleiche Sängerin, die Sopranistin in einem langen schwarzen Kleid, tief dekolletiert über der flachen, fast knochigen Brust. Die drei Künstler blickten demonstrativ finster.
    Das Publikum sollte, wie es im Programmheft stand, »durch ein visuelles und akustisches Flusswasser waten«. Dabei wollte die Installation »in einem Gesamtkunstraum einen Bogen von dem Erinnerungsmaterial der Geschichte Venedigs hin zu den aktuellen Klangund Bildimpressionen des Canal Grande spannen«.
    »Hauptsache, sie machen ordentlich Krach«, flüsterte Harry Zoe zu, »damit wir in Ruhe arbeiten können.«
    Es begann recht verheißungsvoll. Während die drei Künstler Projektionen von Überschwemmungen aus aller Welt zeigten, kreischten die ersten Sirenentöne durch den Raum. Der Japaner begann mit einem Schraubenzieher und einer Stahlbürste die vor ihm stehenden Teile zu bearbeiten.
    Das Video wurde auf ein dichtes Netz aus Fäden projiziert. Der optische Eindruck war eher diffus. Sonderlich viel war auf dem Video ohnehin nicht zu erkennen – jede Menge Wasser eben. In die Flutbilder hinein setzte der Gesang der Sopranistin ein. Eigentlich sang sie nicht, sondern sie krächzte atonal, wimmerte, gluckste und würgte, unterbrochen von einem Posaunenhupen und einem klingelnden Telefon.
    »Der Kanal ist gesprächig«, tuschelte Doris.
    »Sì, sì, ein ganz neues klangliches Raumgefüge«, zischte Giovanni-Dieter und blickte mit Kennermiene zu den Metallspinden, aus denen ein Großteil der Töne kam.
    »Wie die Sirenen des Odysseus«, kommentierte in österreichischem Akzent nölend der Mann mit den langen grauen Haaren und der gewaltigen Hornbrille. »Lockend und gleichzeitig bedrohlich.«
    Jetzt begann der rote Knopf auf dem schwarzen Kasten zu blinken. Das grell leuchtende Lämpchen wurde von einem durchdringenden Quäken begleitet. Die Sängerin quakte dazu in exakt derselben Tonlage. Prompt erschien in dem Durchgang zum Flur des Museums der Wachmann in Uniform, den Harry in den letzten Tagen schon gesehen hatte. Harry und Zoe beobachteten ihn argwöhnisch. Der nette ältere Herr blickte etwas ungläubig. Nachdem er aber erkannt hatte, dass die schrillen Alarmsignale in Wahrheit nur Kunst waren, zog er, ein fragendes »Tutto bene?« murmelnd, wieder ab.
    Jetzt aber ganz schnell wieder zurück in deinen gemütlichen Personalraum vor den Fernseher!, dachte Harry.
    Denn so nett er auch aussah, den Museumswächter konnten Harry und Zoe hier während der nächsten halben Stunde überhaupt nicht gebrauchen.
    Der rote Knopf und die fremden schrillen Töne waren tatsächlich beunruhigend.
    »Der rote Knopf soll den Zuschauer zur Interaktion reizen«, hatte Harry in dem Text zu der Veranstaltung gelesen. Doch

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