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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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umgeknickt.«
    »Aber es ist ja wirklich ein Riesengips«, sagte Britt. Dabei machte sie ein Gesicht, als hätte sie im »Derrick« gerade einen Toten entdeckt. »Welcher Arzt hat dir den denn verpasst?«
    »Wir waren drüben auf dem Festland in … wie heißt das?«, schauspielerte Zoe ohne Probleme.
    »Mestre«, log Harry.
    »Warum habt ihr euch nicht gleich gemeldet. Wir hätten dich zu unserem charmanten Dottore Lentini geschickt. Der wäre bestimmt mit etwas weniger Gips ausgekommen.« Britt sah Zoe an und ließ die Augenbrauen zucken.
    »Er hat bei mir auch alles wieder eingerenkt«, sagte Doris, die dazukam. »Er musste mich nur kurz einmal anheben … Aber was rede ich. Harry, was ist mit dir? Erzähl! Ein Bruch?«
    »Nur ein Anriss«, sagte Harry.
    »Der Gips sieht aber wirklich gefährlich aus.«
    Er war tatsächlich reichlich groß geraten. Sie waren mit den Gipsbinden, die Zoe in der Apotheke besorgt hatte, gerade eben ausgekommen. Aber das Gipsbein durfte keinen Zentimeter kleiner sein. Das hatten sie alles perfekt ausgemessen.
    Während seines Kunststudiums hatte er die Bildhauerklasse nur relativ kurz besucht, aber doch lange genug, um sich mit dem Gipsen und dem Gießen, mit negativen Gipsschalen und den Eigenschaften beim Sägen des Materials auszukennen. Auch im Studium hatten sie manchmal mit medizinischen Gipsbinden gearbeitet. Das war nicht ganz billig gewesen, aber man ersparte sich das aufwendige Herstellen von Drahtverstärkungen für die Gipsgüsse.
    So hatten Zoe und er sein linkes Bein in null Komma nichts eingegipst. Die Binden wurden kurz in Wasser eingeweicht und dann einfach um das zuvor bandagierte Bein gewickelt. Der Trick war natürlich, dass der Gips nicht nur sein Bein, sondern auch die nachgebaute Giacometti-Figur beherbergte. Unter seine Fußsohle schmiegte sich der etwas klobige, kubische Sockel der Plastik und hinter seiner linken Wade klemmte der dürr aufstrebende Körper der »Stehenden Frau«. In wenigen Minuten hatte das Material angebunden und es war ein gewaltiger Gehgips entstanden. Schon während des Härtungsprozesses hatte es im Inneren gebrodelt und gejuckt, dass es kaum auszuhalten war.
    Er war heilfroh, dass er bald darauf wieder aus dem Gips befreit wurde, zumindest vorübergehend. Mit einer kleinen Leistensäge, die Zoe ebenfalls in Mestre erstanden hatte, sägte sie zwei lange Schnitte an den Seiten des Beines entlang. So entstanden zwei Schalen, die man abnehmen und wieder anlegen konnte. Mithilfe von Klettbändern und zwei Tapes auf den seitlichen Nähten war mit wenigen Handgriffen wieder ein stabiler Gehgips hergestellt.
    »Säg mir bloß nicht ins Bein, Darling«, sagte Harry, während ihm der Schweiß ausbrach. »Und vor allem nicht der ›Stehenden Frau‹.«
    »Die Lady wird sich schon melden, wenn ich ihr den Kopf absäge.« Zoe war beim Sägen so konzentriert, dass ihre Zungenspitze dabei ununterbrochen um ihre Schneidezähne spielte.
    Mehr als um seine Haut hatte Harry tatsächlich Angst um die Plastik. Denn bislang war der Giacometti noch aus sprödem Plastilin, das bei jeder Berührung mit einem Metallgegenstand auseinanderzubrechen drohte. Am Ende musste noch eine Jeans von Harry dran glauben. Zoe machte einen langen Schnitt in das Bein, damit der Gips durchpasste.
     
    Inzwischen hatten sich die »Amici dei musei di Venezia« fast komplett um Harrys Gipsfuß versammelt.
    »Dio mio« , stieß der schöne Roberto aus, der sichtlich beeindruckt war. »Was hast du für einen großen Fuß? Povero Harry.«
    »Das ist handwerklich regelrechter Pfusch. Ich sag’s doch immer wieder.« Giovanni-Dieter fühlte sich mal wieder bestätigt. »Das kriegt der Italiener einfach nicht hin. Incredibile! «
    »Na ja, die Italiener neigen eben etwas zur Dramatisierung«, sagte Beat Burger, legte den Kopf schief und lächelte sanft.
    Britt machte Zoe mit den anderen bekannt.
    »Schön, dass Sie dabei sind«, sagte Beat zu Zoe und irgendwie meinte Harry dabei einen ironischen Unterton herauszuhören. Roberto bedachte sie mit einem Augenaufschlag.
    Die Gesellschaft war ähnlich zusammengesetzt wie bei der Vernissage mit den beiden trinkfreudigen Finnen an Harrys erstem Abend.
    »Nur unsere Francesca drückt sich.« Britt sah Harry vielsagend an. »Das ist eigentlich gar nicht ihre Art.«
    »Wollte sie nicht unbedingt kommen?«
    Harry wusste natürlich ganz genau, warum Franca nicht auf der Veranstaltung erschienen war. Er hatte sie schließlich selbst durch eine

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