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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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Besenkammer verschwinden. Ein anderes Problem war die Hitze. Das Appartment unter dem Dach hatte sich in den letzten Tagen stetig aufgeheizt. In seinen Plastikhandschuhen, die er beim Modellieren wegen der Fingerabdrücke konsequent anbehielt, waren seine Finger regelrecht zerflossen. Die Modelliermasse dagegen erhärtete zu schnell. Und wenn Harry mehr Wasser in die Mischung gab, wurde sie zu weich und verlief.
    Nicht nur der Giacometti, auch Zoe und Harry hatten ihre Probleme mit den Temperaturen. Die Sonne brannte unerbittlich. Ein Tag war heißer als der andere. Nur einen Nachmittag lang ging kurz ein Gewitter über die Stadt hinweg. Der Markusplatz war auf einen Schlag leer gefegt. Es schüttete so heftig, dass sich auch die Tauben unter die Arkaden verzogen. Die weißen Marmorstreifen leuchteten in den riesigen Pfützen. Auf dem regennassen Stein spiegelte sich ein Mann, der mit einem Schirm über den Platz lief. Hinter dem Markusdom blitzte es. Die zahlreichen Gondeln, die bei dem Gewitter natürlich nicht unterwegs waren, hüpften am Anleger vor der Piazzetta San Marco auf und ab. Das Knarzen des Vaporetto am Ponton war noch ein bisschen lauter als sonst zu hören, trotz des Donnerns Richtung Arsenale. Aus dem Boot stürmte eine Reisegruppe von Australiern, wie Zoe sofort am Akzent erkannte. Alle hatten sich kurzerhand in knallgelbe Müllsäcke verpackt. Leuchtend gelbe Kleckse huschten über den Platz, der wie ganz Venedig für einen Moment seine Farben verloren hatte. Es sah aus wie eine Performance – der australische Beitrag zur Biennale.
    Gegen Abend schien dann schon wieder die Sonne. Harry vollendete den Giacometti und Zoe malte Pfeile auf den Grundriss der Guggenheim-Villa. Am Morgen war sie vom Piazzale Roma mit dem Bus zu einem Sanitärhandel nach Mestre hinübergefahren. Die beträchtliche Anzahl von Gipsbinden, die sie für ihr Unternehmen benötigten, wollten sie lieber nicht in der Nähe besorgen. Das wäre möglicherweise zu auffällig gewesen.
    Kopfzerbrechen bereitete ihnen noch Franca. Dieses Problem galt es, schnellstens zu lösen. Bei einem kühlen Glas Weißwein hatte Zoe eines Abends eine interessante Idee entwickelt. Einerseits könnte diese Frau ihren ganzen Plan gefährden, andererseits passte sie aber wiederum perfekt mit hinein. Sie mussten nur sicherstellen, dass Francesca nicht auf der Performance im Guggenheim aufkreuzte. Und auch hierzu war Zoe etwas eingefallen.
    Der Coup war nicht ganz ungefährlich. Aber was an Vorbereitungen zu leisten war, hatten sie gemacht. Sie nahmen sich fest vor, nicht zu spät ins Bett zu gehen. Sie tranken nur einen selbst gemixten Sprizz auf der Dachterrasse. Während über den Dächern Richtung Hafen die Sonne unterging, aßen sie eingelegtes Gemüse und pollo allo spiedo. Von dem gegrillten Huhn bekam Harry kaum etwas ab. Zoe hatte wieder einen erstaunlichen Appetit. Als sie unten das Surren der Türklingel hörten, öffneten sie nicht. Zoe hielt sich den Zeigefinger vor die vom Hühnerfett glänzenden Lippen und gluckste leise.
    Trotz des offenen Fensters im Schlafzimmer kühlte es in der Nacht überhaupt nicht mehr ab. Sie wälzten sich unter ihrem dünnen Bettlaken hin und her. Im hereinfallenden Licht des Mondes sah Harry, dass Zoe schwitzte. Es war eigentlich alles perfekt vorbereitet. Aber in der Nacht vor dem »Alarme Rosso« schliefen sie dann doch ziemlich unruhig.

13
    »Um Himmels willen, Harry, was ist geschehen?«, rief Britt Benning quer über die ganze Dachterrasse des Guggenheim-Museums. Alle Gespräche der Abendgesellschaft, die hier bereits versammelt war und auf den Beginn der Performance wartete, erstarben für einen Moment. Aus einem der Museumsräume drang ein kurzer Schlagzeugwirbel und ein jäh abbrechender Sirenenton nach draußen. Drinnen wurde offensichtlich noch für die Klangperformance geprobt. Mit einem reichlich übertriebenem Ausdruck der Bestürzung und etlichen Zuckungen der Augenbrauen kam Britt Benning herangerauscht und starrte auf sein Gipsbein.
    »Du Ärmster, wie ist das passiert?«
    »Ein Bänderanriss. Es sieht schlimmer aus, als es ist«, versuchte er seinen Gehgips herunterzuspielen. Zu viel Aufmerksamkeit wollte er nun auch wieder nicht auf sich ziehen. Er hatte schon das Gefühl, dass die gesamte Runde auf sein voluminöses Bein starrte.
    »Gar nicht so einfach, das Aussteigen aus dem Vaporetto«, sagte Zoe und grinste dabei.
    »Zoe«, tadelte Britt.
    »Ich bin dabei irgendwie ganz blöd

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