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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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Licht mehr in das Apartment. Er stellte den Giacometti in die Besenkammer. Dann zog er eine Gardine ein Stück beiseite, nur so weit, dass die Wohnküche von den gegenüberliegenden Häusern nicht einsehbar war. Er machte kein Licht. Ein bis zwei Stunden wollte er noch abwarten, bis im Stadtteil gar keine Leute mehr unterwegs waren. Aber zu lange durften sie die Bootstour mit Franca auch nicht hinauszögern. Jederzeit konnten Hans-Dieter oder ein anderer »Amico dei musei« hier aufkreuzen. Sogar dieser Klempner hatte ja offensichtlich einen Schlüssel.
    Rauchend studierte er sehr genau den Venedig-Stadtplan. Mit der toten Franca im Boot wollte er sich nicht wieder im Kanalgewirr von Cannaregio verirren. Den Weg nach Sacca Sessola wollte er sich vorher genau einprägen. Er stierte auf den farbigen Stadtplan mit den vielen Bezeichnungen der Wege und Kanäle, die von Minute zu Minute immer ähnlicher wurden und langsam vor seinen Augen verschwammen.
     
    Auf einmal thronte dick und fett Francas Vermieter als Duane-Hanson-Figur auf dem venezianischen Fauteuil, in dem Lehnstuhl, in dem Zoe eben noch selig vor sich hin geschnorchelt hatte. Auch Harry war auf dem kleinen Stilsofa über der Venedigkarte eingeschlafen. Doch Großgondoliere Carlo verfolgte ihn überallhin, bis in seine Träume, bis in Hans-Dieters Wohnküche. Der Dicke hatte das limonengrüne Jackett leicht geöffnet. Über dem Hosenbund quoll weiß ein Fettpolster heraus. In der Rechten hielt er wie ein König seine Herrschaftsinsignien den rot leuchtenden Murano-Frosch, der eigentlich zusammen mit dem Miró im Canal Grande dümpelte. Die in der schalenförmig geöffneten Hand hockende Kröte gaffte Harry herausfordernd an, während der Dicke ohne die geringste Bewegung leicht über ihn hinwegschielte.

18
    Francesca war schwerer, als sie gedacht hatten. Harry und Zoe hatten beschlossen, Franca nicht zu verpacken. Sie nahmen die Tote zwischen sich und schleppten sie Stufe für Stufe durch das Treppenhaus, alle drei Stockwerke hinunter. Harry und Zoe legten sich jeweils einen Arm von Franca um die Schulter und fassten sie um die Taille, so wie man einen Betrunkenen nach Hause bringt. Darauf wollten sie sich herausreden, falls sie jemand ansprechen würde. Für alle Fälle hatten sie Franca ein Gläschen von Giovanni-Dieters Grappa über die Jacke gekippt. So besonders lebendig sah sie allerdings nicht mehr aus. Ihre blasse Gesichtsfarbe tendierte leicht ins Grünliche.
    »Ihre Hände sind schon ganz kalt, Harry. Es ist ja wirklich eklig.«
    »Dann fass ihren Arm an der Jacke an.« Er wurde jetzt ungeduldig.
    »And she’s pretty fat. Ich wusste gar nicht, dass du darauf stehst, Harry.« Zoe zog so kräftig an dem leichten schwarzen Leinenjackett, dass sie es Franca fast auszog.
    »Zoe, bitte.«
    Im Treppenhaus war es vollkommen still. Warum hatte Signora Schillaci ausgerechnet heute Abend ihren dämlichen Fernseher nicht in Betrieb? Irgendeine dieser italienischen Gameshows musste doch sicher gerade laufen. Was war los mit der Signora? Horchte sie hinter ihrer Tür?
    Das Licht im Treppenhaus hatten sie nicht angeschaltet. Sie gaben sich alle Mühe, leise zu sein, trotzdem hatte Harry das Gefühl, einen Höllenkrach zu veranstalteten. Stufe für Stufe setzten sie einen wackeligen Fuß vor den anderen. Harry war so schlau gewesen, vorher seinen Gips abzunehmen. Das machte die Sache zumindest etwas einfacher. Nachdem sie Franca ein Stockwerk nach unten gewuchtet hatten, drohte sie ihnen direkt vor der Tür von Signora Schillaci wegzusacken. Von Totenstarre konnte tatsächlich noch keine Rede sein. Im Gegenteil, Franca hing zwischen ihnen wie ein nasser Sack. Zoe fasste gar nicht mehr richtig zu, und Harry konnte sie alleine kaum halten.
    »Zoe, wirklich! Reiß dich jetzt mal zusammen«, schimpfte er.
    »Wer hat uns das denn alles eingebrockt?!«, blaffte sie zurück.
    Harry konnte richtig sehen, wie sie die Zähne zusammenbiss.
    Sie schulterten die schlappe Francesca erneut. Auf den folgenden Stufen nahmen sie dann unfreiwillig Fahrt auf. Die tote Bildhauerin schien jetzt vorwegstolpern zu wollen. Ohne Zwischenstopp stürzte das Trio an der Tür von Baggio vorbei, wo sie noch nie jemanden gesehen hatten. Als sie gerade den letzten Treppenabsatz in Angriff nehmen wollten, öffnete sich unten wie von Geisterhand die Haustür, und Sekunden später flammte die Beleuchtung im Treppenhaus auf.
    Abrupt blieben die drei stehen. Am unteren Ende der Stufen stand Signora

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