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Venetia und der Wuestling

Venetia und der Wuestling

Titel: Venetia und der Wuestling
Autoren: Georgette Heyer
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Keinesfalls hätte sie ausgeharrt, um mit dem raubgierigen Angreifer einen Wortwechsel zu führen. Außerdem hätte ein solches Frauenzimmer nicht ein Gefühl der Erheiterung gehabt. Venetia aber hatte das sehr. Es hatte sie nicht gefreut, dass man mit ihr so rücksichtslos umgegangen war, aber einen verrückten Moment lang hatte sie einen Impuls gefühlt, zurückzuküssen, und durch den Nebel ihrer Wut hatte sie aufblitzen sehen, was Leben sein konnte. Natürlich nicht, dass sie etwa gewünscht hätte, von Fremden roh behandelt zu werden. Aber wenn Edward sie je so geküsst hätte! Der Gedanke entlockte ihr ein Lächeln, denn die Vision eines Edward, der aus seinem steifen Anstand leidenschaftlich hingerissen würde, war geradezu absurd unwahrscheinlich.
    Edward war ein sturer Meister seiner Leidenschaften; sie fragte sich - zum ersten Mal -, ob diese überhaupt sehr stark waren oder ob er in Wirklichkeit nicht nur kaltes Blut hatte.
    Da die Frage von keinem besonderen Gewicht war, blieb sie unbeantwortet.
    Damerei beherrschte sofort die Szene, die er so rüde betreten hatte, und ob er nun der große Schurke oder bloß ein minderwertiger Charakter war - es nützte nichts zu leugnen, dass er einem trübseligen Bühnenstück Leben eingehaucht hatte.
    Venetia fiel es schwer, sich zu entschließen, was sie Aubrey sagen sollte. Wenn sie ihm ihre Begegnung mit Damerei verriet, würde er ihr vielleicht Fragen stellen, die zu beantworten ihr schwerfallen könnten; anderseits, wenn sie nichts sagte und es Damerei gelang, seine Bekanntschaft mit ihr fortzusetzen, würde er bestimmt auch mit Aubrey bekannt werden. Und obwohl er wohl kaum so schamlos sein würde, anzudeuten, auf welche Weise er mit ihr bekannt geworden war, könnte er sehr gut erwähnen, dass er sie schon einmal kennengelernt hatte; und Aubrey würde es bestimmt für seltsam von ihr halten, dass sie ihm nichts von einem so beispiellosen Ereignis erzählt hatte. Dann aber dachte sie, das Wahrscheinlichste wäre, dass Damerei nicht ernsthaft beabsichtigte, in der Priory zu bleiben, und beschloss, den Zwischenfall für sich zu behalten.
    Wie es sich in der Folge ergab, war sie darüber herzlich froh. Es war Aubrey, der als Erster von Damereis Rückkehr erzählte. Da er aber recht wenig an seinen Nachbarn interessiert war und schon gar nicht an einem Mann, den er noch nie gesehen hatte, tat er es ganz beiläufig und sagte, als er sich am selben Tag zum Mittagessen hinsetzte: „Oh, übrigens, ich hab im Dorf gehört, dass Damerei wieder zurück ist - aber ohne zyprische Schönheiten! Ja sogar ganz allein."
    „Was - es braut sich kein Skandal zusammen? Das wird die Kritischen aber nicht freuen! Was ihn wohl herführt?"
    „Geschäfte, vermutlich", antwortete Aubrey gleichgültig. „Höchste Zeit, dass er sich um seine Angelegenheiten hier kümmert."
    Sie stimmte ihm zu, verfolgte aber das Thema nicht weiter. Es sollte jedoch wieder aufs Tapet kommen, wenn auch nicht durch Aubrey. Eine so aufregende Nachricht verbreitete sich natürlich rapide durch den ganzen Bezirk, und noch vor Einbruch der Nacht hatten sowohl Nurse wie Mrs.
    Gurnard, in ein vorübergehendes Bündnis gezwungen, Venetia eindringlich die Notwendigkeit vor Augen gestellt, sich mit größter Umsicht zu benehmen. Auf keinen Fall dürfte sie auch nur einen Schritt ohne Begleitung aus dem Garten tun. Es sei nicht abzusehen, was alles ihr zustoßen könnte, wenn sie nicht täte, wie ihr geheißen wurde, sagte Nurse düster.
    Venetia beruhigte die Ängste dieser beiden Wohlwollenden. Aber als Edward Yardley am nächsten Tag nach Undershaw kam, war sie noch nie so nahe daran gewesen, ihre Geduld mit ihm zu verlieren.
    „Ich vermute ja sehr, dass er nicht mehr als einen oder zwei Tage in der Priory bleiben wird, aber solange er hier ist, wird es das Beste für dich sein, deine einsamen Spaziergänge aufzugeben", sagte Edward mit einer ruhigen Anmaßung von Autorität, die sie derart aufreizend fand, dass sie eine vorschnelle scharfe Antwort herunterschlucken musste. „Du weißt ja", sagte er mit einem schiefen Lächeln, „dass ich diese Gewohnheit an dir nie gemocht habe."
    Auch Oswald Denny besuchte sie, aber seine Besorgtheit äußerte sich in der dramatischen Versicherung, sollte Damerei es wagen, sie zu belästigen, würde er, Oswald, sehr wohl wissen, welche Antwort er „dem Burschen" erteilen würde. Die bedeutungsvolle Geste, mit der er seine Hand an einen imaginären Degengriff legte, war zu
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