Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venezianische Verführung (German Edition)

Venezianische Verführung (German Edition)

Titel: Venezianische Verführung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manon Sera
Vom Netzwerk:
Bewusstlosigkeit.
     
    * * *
     
    In den frühen Morgenstunden erwachte Aurora aus schlimmen Träumen. Darin war Leandro erhängt worden an der Stelle, wo sich die drei rötlichen Säulen des Palazzo Ducale befanden. Sie selbst hatte in der vordersten Reihe der Menschenansammlung gestanden und hatte ihm die gesamte Zeit in seine Augen gesehen, bis sie brachen. Danach trug man sie vom Platz, da sie weinend und schreiend zusammengebrochen war.
    Sie rieb sich die Augen, um diesen Anblick zu verbannen. Noch zu frisch war der Traum und viel zu realistisch. Offenbar bedeutete Leandro ihr so viel, dass er ihr in die Träume folgte. Leandro.
    Mit dem Schwinden ihres Zornes auf ihn kam das schlechte Gewissen.
    Dabei sollte er sich so fühlen wie sie jetzt, dieser Schuft. Dennoch verspürte sie Schuldgefühle, weil sie ihn allein gelassen hatte, als er sie brauchte. Hatte sie nicht das Gelübde gegeben, zu ihm zu stehen in guten wie in schlechten Zeiten?
    Er war in Gefahr, ins Gefängnis geworfen zu werden  wegen Mordes.
    Darauf stand die Todesstrafe. Der Gedanke, dass er getötet werden würde, schnürte ihr die Kehle zu. Sie stellte sich ihn tot in einem Sarg vor. Tränen traten in ihre Augen. Er war ein Schuft, daran bestand kein Zweifel  doch war er der Schuft, den sie liebte. Auch wenn er ihre Gefühle niemals erwidern würde, so war er nicht ganz so gefühlskalt.
    Wie es auch immer kommen würde, sie wusste, dass sie niemals von ihm würde lassen können. Nicht, nachdem sie von ihm gekostet hatte. Es war nicht nur die körperliche Liebe. Stets, wenn sie in seinen Armen lag, hatte er ihr das Gefühl gegeben, die einzige, besondere, begehrenswerteste Frau der Welt für ihn zu sein.
    Dass dies nicht wahr war, wusste sie jetzt. Sie hatte es schon immer geahnt. Er war nicht der Mann für eine Ehe. Trotzdem hatte er ihr Geborgenheit geschenkt, wenn sie in seinen Armen einschlief, was selten genug war. Was für eine Ehe führten sie überhaupt?
    Dennoch sehnte sie sich mit jeder Faser ihres Leibes und ihres Herzens nach ihm. Er war der Mann, den sie wollte und keinen anderen. Es war tragisch.
    »Ich muss zu ihm«, sprach sie ihren Gedanken laut aus. »Ich muss zu ihm, bevor es zu spät ist.« Die Rastlosigkeit trieb sie aus dem Bett, obwohl die Sonne noch nicht vollends aufgegangen war. Selbst der Gedanke, dass Leandro nicht so unschuldig sein könnte, wie sie erhoffte, hielt sie nicht mehr zurück.
    Wenn sie jetzt aufbrach, war sie bis zum Morgen zurück in Venedig. Sie hinterließ eine Nachricht für Chiara, die im Raum nebenan schlief. Sie wollte sie nicht wecken, obwohl sie eine Frühaufsteherin war. Leise kleidete sich an und machte sich alleine auf den Weg.
    Nur wenige Minuten später befand sie sich wieder in einer Gondel. Gemeinsam mit einer Frau war sie am Hafen zugestiegen. Zum Glück war es diesmal ein anderer Gondoliere, der sie zur Stadt ruderte. Man würde sie ja sonst für verrückt halten. Vermutlich war sie das auch, sonst würde sie keinen Mann wie Leandro lieben. Wo war nur ihr Verstand geblieben?
    Eine ältere Frau saß ihr gegenüber und bot ihr von ihrem Wein an.
    Dankend trank Aurora davon. Der Wein schmeckte süß, doch sein Nachgeschmack war bitter. Sie reichte der Frau den Becher zurück und blinzelte in die aufgehende Sonne.
    »Wohin rudern wir?« fragte sie. »Das ist aber nicht die richtige Richtung.«
    »Doch, gewiss ist sie das, Siora«, sagte der Gondoliere und pfiff ein Lied vor sich hin.
    »Ich bin schon einige Male hier entlanggefahren. Wir sind falsch. Das da hinten ist die Cattedrale di Santa Maria Assunta.«
    »Wir sind vollkommen richtig hier, Siora.«
    Sie starrte zu der Stadt Chioggia hinüber, der sie immer näher kamen.
    Diese war mit einer Steinbrücke mit dem Festland verbunden. Warum also dorthin rudern?
    »Es muss ein Missverständnis vorliegen«, sagte Aurora. »Ich will nach Venedig.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte die Frau, »aber der Herr rudert zuerst mich nach Hause, da mich meine Kinder erwarten.«
    Aurora sah sie verwundert an. Davon hatte die Frau gegenüber dem Gondoliere gar nichts erwähnt oder hatte sie es, so in Gedanken versunken, wie sie war, gar nicht mitbekommen. Das war gut möglich. Schließlich fühlte sie sich müde und es war ihr ein wenig schwindelig vom Wellengang. Sie war es nicht gewohnt, Bootsreisen zu unternehmen.
    Aurora spürte, wie ihr Schwindelgefühl rapide zunahm. Hätte die Frau sie nicht abgestützt, wäre sie womöglich ins Wasser gefallen.

Weitere Kostenlose Bücher