Venezianische Verführung (German Edition)
keine andere Frau mehr gedacht, seit ich dich geheiratet habe.«
»Ach ja? Vielleicht hast du dir dabei wirklich nichts gedacht, doch die Tatsachen bleiben die gleichen. Warum bist du überhaupt hier?«
»Ich wurde aufgehalten.«
Leandro trat zu ihr und umfasste ihr Gesicht. Mit den Daumen streichelte er ihre Wangen. Diese zärtliche Geste, diese falsche Geste trieb ihr die Tränen der Wehmut und der Wut in die Augen.
»Fass mich nicht an!« sagte Aurora. Sie trat zurück, doch er folgte ihr.
Er zog sie in seine Arme. Sein vertrauter Duft und seine Wärme umfingen sie, was den Schmerz in ihrem Inneren verschlimmerte. Das Wissen um das Verlorene, um das, was niemals ihr gehört hatte. Ein Mensch gehörte einem anderen niemals.
»Nur die Liebe bindet Menschen aneinander«, sprach sie ihre Gedanken laut aus. »Kein Ehevertrag, Trauversprechen oder kirchlicher Segen ist dazu in der Lage.« Sie senkte den Kopf. »Ich hätte dich niemals heiraten dürfen.«
»Bereust du es wirklich? Die gemeinsamen Nächte, den Austausch von Zärtlichkeiten?« Seine Stimme klang belegt.
»Sie sind bedeutungslos ohne Liebe, weil es dich doch wieder in die Arme anderer Frauen treibt wie ich eben erst gesehen habe.«
»Ich kenne diese Frau nicht!«
»Genauso wenig wie du Emma Berardino kanntest, die sich um deinetwillen getötet hat. Oder so wenig, wie dir die Contessa Pavese bedeutet, die du kaum kennst, die aber für dich durch den halben Veneto reist, um eine Nacht mit dir zu verbringen. Das soll ich dir alles glauben? Das glaubst du ja selbst nicht! Für wie dumm hältst du mich eigentlich?«
Er sah sie ernst an. »Ich halte dich nicht für dumm. Das habe ich nie getan. Bitte glaub mir.«
»Ich kann es nicht.«
»Du gehörst zu mir, Aurora, und ich werde nicht zulassen, dass andere Menschen sich zwischen uns drängen. Ich weiß nicht, was hier im Gange ist, doch solange wir zusammenbleiben, kann uns nichts passieren.«
»Tu nicht so, als wüsstest du von nichts. Oh, du armes ahnungsloses Opfer, wehrloser Mann, der von einer nackten Frau überfallen wurde.«
»Ich weiß, dass sich das für dich merkwürdig anhören muss.«
»Merkwürdig? Äußerst unglaubwürdig.«
»Aurora . . . « Er wollte etwas sagen, doch sie hörte ihm nicht mehr zu.
Sie eilte ins Haus. Leandro folgte ihr nicht.
Es war vorbei. Ihre Ehe stand vor dem Ende, kaum dass sie begonnen hatte. Sie hatte gewusst, dass er ihr das Herz brechen würde, doch nie hätte sie gedacht, dass es so früh geschehen und so weh tun würde.
11
Die Gerüche nach Tang und Abfällen drangen aus den Kanälen, als Aurora durch die engen Gassen Venedigs spazierte. Sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Einerseits liebte sie Leandro, andererseits hatte sie berechtigten Verdacht zu glauben, er sei ein Frauenmörder.
Entsorgte er seine Geliebten, wenn er ihrer überdrüssig war? Und von ihr hatte er genug, sonst hätte er keine Mätresse. Dass die Frau ihn überfallen hatte, konnte sie ihm nicht so recht glauben. Vermutlich war er erst mit der Frau heimgekehrt, sonst hätte ihn ja die Polizei mitgenommen.
War Aurora in der Villa ihres Vaters überhaupt sicher?
Ein paar Nachbarn grüßten sie. Es fiel ihr schwer, zurückzugrüßen, ohne dabei allzu mürrisch zu wirken. Zu dunkle Gedanken vernebelten ihren Geist. Aurora blinzelte in die Sonne. Tauben stoben vor ihr in die Höhe.
Zumindest war sie allein unterwegs. Chiara hatte sich als sehr anhänglich erwiesen. Nicht dass Aurora sie nicht mochte, im Gegenteil, doch gelegentlich ging sie lieber allein spazieren, obwohl sie wegen der vermeintlichen Verhaftung mit ihr zu reden hatte. Sicherlich hatte das Mädchen in seinem Übereifer etwas falsch verstanden. Die Angelegenheit erschien ihr seltsam, doch was war nicht seltsam in ihrem Leben?
Bald erreichte Aurora den Laden. Als sie eintrat, kam ihr der Geruch nach Farbe entgegen. Der Händler grüßte sie mit Namen. Sie kannte und vertraute ihm schon lange, da er sie nicht an ihren Vater verraten hatte
wohl nicht ganz uneigennützig. Obwohl er auch Gebrauchsgegenstände wie Alltags und Kurzwaren verkaufte, hatte sie bisher Glück gehabt, keinen von Vaters Freunden hier zu treffen. Was wohl auch daran lag, dass er kaum welche hatte.
Schnell bekam sie das Gewünschte und verließ das Geschäft wieder. Sie bewunderte die Blumen in den Töpfen, die vor den Häusern standen. Plötzlich fiel ein Schatten in ihr Gesichtsfeld. Aurora erkannte Emma Berardinos
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