Venezianische Verfuehrung
ein Großputz hatte Domenicos Duft nicht daraus vertreiben können. Sobald sie sich ein neues Handy zugelegt hatte, sandte sie ihm sein Geschenk zurück. Das Gleiche hätte sie mit der Kaffeemaschine getan, hätte sie das hohe Porto nicht daran gehindert.
Energisch versuchte sie, nicht an ihn zu denken und sich auf andere Gedanken zu bringen. Sie schaffte sich einen Gebrauchtwagen an, um mobiler zu sein, und ließ sich die Haare abschneiden. Das war schon lange ihr Wunsch gewesen, aber jetzt geschah es hauptsächlich aus nachträglichem Trotz gegenüber Domenico.
Als sie das Auto zum ersten Mal vorm Haus ihrer Mutter parkte, kam Isabel sofort auf die Straße gelaufen, um das neue Gefährt zu bewundern. Überrascht blickte sie ihre Tochter an, als diese ausstieg.
„Große Güte.“
„Ich bin noch die Alte. Nur die Frisur ist neu. Ich habe sie mir heute Morgen machen lassen“, erwiderte sie munter. „Was meinst du zu meinem Wägelchen?“
„Es sieht gut aus. Woher hast du es?“
„Claires Freund hat mich zu einem Händler begleitet. Laut Ben wird eine hübsche Blondine übers Ohr gehauen, wenn sie allein ein Auto kauft.“ Laura verdrehte die Augen.
Isabel lachte und umarmte sie. Dann schob sie sie etwas von sich, um die neue Frisur zu betrachten. Ihre Tochter trug jetzt einen zur Seite gekämmten Pony. Ansonsten waren die Haare stufig geschnitten und knapp über den Schultern nach innen geföhnt.
„Bitte sag, dass es dir gefällt, Mum. Ich werde morgens wesentlich weniger Arbeit haben.“
„Nach unruhigen Nächten, wie mir die Ringe unter deinen Augen zeigen. Aber ich mag die Frisur, und nun lass uns erst einmal eine Tasse Tee trinken.“
„Wie geht’s Abby?“, erkundigte sich Laura, kaum saßen sie gemütlich beieinander.
„Sie freut sich ihres Lebens. Dem Himmel sei Dank. Sie hat schon Freundinnen und auch Freunde gefunden und stürzt sich mit Feuereifer ins Studium. Im Übrigen verhält sie sich, als wäre nichts gewesen. Was vielleicht ein gutes Zeichen ist. Ich wünschte, ich wüsste es.“
Laura lächelte trübsinnig. „Deine Töchter haben nicht viel Glück mit Männern.“
„Abby scheint zurzeit besser zurechtzukommen als du.“ Isabel zögerte einen Moment. „Laura, ich habe dich nie gefragt, was zwischen dir und Domenico schiefgelaufen ist, doch bin ich besorgt. In der einen Minute warst du im siebten Himmel und in der nächsten am Boden zerstört.“
Jener Abend, an dem Domenico ihr Apartment verlassen hatte, lag jetzt sechs entsetzliche Wochen zurück. Sie hatte mit niemandem darüber geredet und sollte zumindest ihrer Mum allmählich erzählen, was geschehen war.
„Es war Edwards Schuld.“
„Edwards Schuld?“, wiederholte Isabel verblüfft.
„Er ist bei mir aufgetaucht, während Domenico zu Besuch war.“ Kurz berichtete Laura ihr von der Begebenheit an der Wohnungstür.
„Ich kann mir vorstellen, was als Nächstes passiert ist. Domenico hat gedacht, er hätte von dir gesprochen.“
„Natürlich. Ich habe ihm zwar gesagt, Edward hätte sich nach einer Freundin von mir erkundigt, aber er hat mir nicht geglaubt, weil ich ihm den Namen nicht nennen wollte.“ Sie lächelte bitter. „Er war überzeugt, dass ich die Betreffende wäre, weshalb ich ihn aufgefordert habe, aus der Wohnung zu verschwinden.“
„Große Güte, du hättest es ihm erklären sollen.“
„Ich habe Abby aber versprochen, es niemandem zu verraten.“
„Sie hätte in dem Fall nichts dagegen gehabt.“
„Ich habe es ihr versprochen, Mum! Außerdem ging es letztlich um etwas anderes. Domenico hätte mir vertrauen sollen.“
„Bist du beim Lügen wie üblich rot geworden?“
Rebellisch blickte Laura sie an. „Klar. Wahrscheinlich habe ich wie das personifizierte schlechte Gewissen ausgesehen. Trotzdem hätte er mir glauben sollen.“ Ein harter Ausdruck trat in ihre Augen. „Zumal er mich bis zu jenem Augenblick sofort im neuen Jahr heiraten wollte.“
Isabel war überrascht. „Wenn das nicht schnell ist.“
„Stimmt. Deswegen habe ich ja darauf bestanden, dass wir uns erst besser kennenlernen. Offensichtlich mit allem Grund.“
„Vermutlich. Dennoch tut es mir leid. Ich mag Domenico. Hat er sich seither bei dir gemeldet?“
„Nein. Allerdings kann er es auch nicht. Ich habe ihm das Handy zurückgesandt, und für den Festnetzanschluss habe ich mir eine neue Nummer geben lassen, wie du weißt.“ Laura lächelte tapfer. „Die Geschichte ist vorbei.“
Ja, das war sie wohl.
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