Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Johnny.« Er wandte sich wieder zu Chester um. »Das ist höchst interessant, findet ihr nicht? Bedenkt man die philosophischen Ansätze innerhalb dieser Thematik, eröffnen sich allerlei Fragen. Ich will fast behaupten, dass es nicht allein eine philosophische Angelegenheit ist. Sie ist sehr viel größer. Gebietübergreifend. Aber das alles kann man nachlesen, wenn man möchte.« Die strahlgrauen Augen richteten sich auf Chester. »Du wolltest mir erzählen, warum du das Verschwinden von Menschen hypothetisch für möglich hältst.«
    Chester wirkte noch nervöser. Seine freie Hand spielten mit dem Hemdsaum. »Einmal angenommen, ein Filii Iani beherrscht die Imagination auf diese Weise, die Veden, der Gründer, für möglich gehalten hat, dann sollte er es schaffen können, diese subjektive, fiktive Welt für andere zugänglich zu machen. Wenn dann also eine solche Welt entstanden ist, innerhalb des Kopfes dieses Filii Iani, könnte er Menschen darin einschließen.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. » Theoretisch könnte er sie also kidnappen, indem er sie in eine Parallelwelt bringt.«
    »Die vedische Lehre glaubt an solche Parallelwelten, nicht?« Loki hatte sich eine Zigarette angezündet, und während er rauchte und Chester zuhörte, saß er zurückgelehnt im Stuhl und sah an die Decke hinauf.
    Chester nickte. »Inzwischen spricht man ja auch in der Quantenphysik von solchen Dimensionen.« Er zuckte die Schultern. »Wie auch immer man sie nennen will, bei uns heißen sie nach wie vor Parallelwelten.«
    Einen Moment folgte Schweigen. Tim schob die Pizza von sich, von der kaum etwas übrig war, und musterte wieder seinen Cousin von der Seite. Loki sah zufrieden aus, und Tim erkannte in diesem Augenblick, dass er genau davon die ganze Zeit ausgegangen war. Loki hatte damit gerechnet, dass hier ein irrer Filii Iani am Werk war, der die Leute in eine andere Dimension entführte.
    Unwillkürlich erinnerte er sich an dieses Vipassana, über das er im Zug hatte recherchieren müssen. Meditation mochte ja schön und gut sein – vielleicht nicht für jeden geeignet, doch wer sich damit beschäftigen wollte, bitte sehr. Aber was hatte dieses ganze Zeug nun tatsächlich mit der Schule am Hut? Er konnte sich gerade noch vorstellen, dass man durch Meditation umsichtiger und vielleicht sogar konzentrierter wurde. Dass man allerdings Sachen herbeizauberte – und es kam ihm tatsächlich so vor, als sprächen sie hier über Zauberei –, das überschritt alles, was Tim für möglich hielt. Filii Iani hin oder her; niemand konnte Dimensionen erschaffen und Leute dematerialisieren. Auf der Enterprise war das vielleicht möglich, aber nicht im realen Leben.
    Tim schüttelte grinsend den Kopf. Welch ein Schwachsinn!
    »Glaubst du das wirklich?«, fragte er Loki. Er spürte Chesters Blick auf sich, ignorierte ihn aber. »Ausgerechnet du mit deiner geliebten Logik?«
    Auch Chester entkam ein Glucksen. Der Junge schien erleichtert darüber, mit seinen Zweifeln nicht allein zu sein.
    Loki hob die Brauen. »Du solltest deine Missbilligung überdenken, mein Lieber. Gründet sie sich tatsächlich auf das Fehlen einer logischen Heranführung, oder bist du nur abgeneigt aufgrund einer Jahrtausende alten ethischen Vorstellung, die dein Denken übernommen hat?« Bevor jemand etwas erwidern konnte, fand sein Blick den Schülersprecher. »Lass uns mit der Übung beginnen.« Loki beugte sich vor und drückte die Zigarette im improvisierten Aschenbecher aus, der vor dem Bett auf dem Boden stand.
    »Moment«, sagte Tim, während er sich eine Zigarette zwischen die Lippen schob. Er ließ sein Zippo aufschnappen und verschaffte sich damit etwas Zeit, um nachzudenken. »Ich tue jetzt einfach so, als wäre das alles nicht völlig irre. Mal angenommen, so eine Welt ist also entstanden und diese Menschen hängen jetzt in ihr fest. Ist es diesem Filii Iani möglich, eine der Personen wieder in diese Welt zu schaffen?« Das Feuer fand die Zigarette, und als Tim anzog, schoss die Flamme vor seinen Augen kurz in die Höhe.
    Chester überlegte nicht lange. »Was weg kann, kann auch wieder zurück.« Er grinste. »Sie wissen ja, Energie kann nicht vergehen. Alles ist Energie, und nur, weil man sie aus einer Welt in eine andere schiebt, heißt das nicht, dass sie nicht auch wieder zurück kann. Theoretisch.«
    »Energie kann aber verändert werden«, sagte Tim.
    Der Schülersprecher zuckte die Achseln. »Kann sie. Physik, Grundschule.«
    Erneut