Venus 01 - Piraten der Venus
Vorhabens zu erkennen.
Warum ich mich an Sie gewandt habe, werde ich Ihnen gern erklären, wenn Sie mir den Vorzug einer persönlichen Unterhaltung erweisen würden. Allerdings würde unser Zusammentreffen von dem Ausgehen eines Versuches abhängen, den ich Ihnen jetzt erklären möchte.
Wenn am Dreizehnten dieses Monats um Mitternacht eine weißgekleidete Frauengestalt Ihr Schlafzimmer betritt, beantworten Sie bitte diesen Brief – andernfalls nicht. Wenn Sie von der Gestalt angesprochen werden, merken Sie sich bitte ihre Worte und wiederholen Sie sie mir in Ihrer Ant wort.
Ich darf Ihnen versichern, daß ich mich sehr freuen würde, wenn Sie mein Anliegen ernsthaft in Erwägung ziehen könnten, obwohl ich mir dessen bewußt bin, daß mein Brief ziemlich ungewöhnlich ist. Ich darf Sie bitten, strengstes Stillschweigen über seinen Inhalt zu bewahren, bis eventuelle künftige Ereignisse seine Veröffentlichung gerechtfertigt erscheinen lassen. Damit verbleibe ich mit respektvollen Grüßen als Ihr
Carson Napier
»Scheint ein ganz Verrückter zu sein«, bemerkte Rothmund.
»Der Meinung war ich auch«, stimmte ich zu, »aber heute ist der Vierzehnte, und es sieht aus, als wären wir auf dem Weg in ein neues Abenteuer.«
»Was hat der Vierzehnte damit zu tun?« fragte er.
»Gestern war der Dreizehnte«, erinnerte ich.
»Sie wollen doch nicht etwa sagen…?«
»Genau das will ich sagen«, unterbrach ich ihn. »Die Dame kam, ich sah, und sie siegte.«
Ralph musterte mich beunruhigt. »Sie sollten mal wieder zum Arzt gehen.«
»Keine ungehörigen Bemerkungen bitte. Ich weiß, was ich gese hen habe. Bitte nehmen Sie einen Brief an Mr. Napier auf.«
Einige Tage später erhielt ich aus Guaymas ein Telegramm:
»BRIEF ERHALTEN STOP VIELEN DANK STOP WERDE SIE MORGEN AUFSUCHEN.«
»Er scheint mit dem Flugzeug zu kommen«, sagte ich.
»Oder auf einer Wolke, in ein weißes Bettlaken gehüllt.«
Ich muß zugeben, daß wir der Ankunft Carson Napiers mit großem Interesse entgegensahen. Ralph schien einen wildäugigen Wahnsinnigen zu erwarten, während ich nicht recht wußte, auf was ich mich gefaßt machen sollte.
Gegen elf Uhr am folgenden Morgen kam Ralph in mein Büro. »Mr. Napier ist da«, sagte er.
»Na, stehen ihm die Haare zu Berge, und hat er rotglühende Augen?« fragte ich lächelnd.
»Nein«, erwiderte Ralph und lächelte ebenfalls. »Er sieht ei gentlich recht gut aus. Aber er scheint mir doch verrückt zu sein«, fügte er hinzu.
Einen Augenblick später führte er einen außerordentlich gutaus sehenden Mann herein, den ich zwischen fünfundzwanzig und dreißig schätzte, wenn er nicht sogar jünger war.
Er kam mir mit ausgestreckter Hand lächelnd entgegen, und ich erhob mich, um ihn zu begrüßen. Nach der üblichen banalen Ge sprächseröffnung kam er sofort zum Kern der Sache.
»Um Ihnen die Angelegenheit klarzumachen«, begann er, »muß ich zunächst von mir erzählen. Mein Vater war britischer Armee offizier, meine Mutter ein amerikanisches Mädchen aus Virginia. Ich wurde in Indien geboren, während mein Vater dort stationiert war, und wuchs unter der Aufsicht eines alten Hindu auf, der mei nen Eltern sehr zugeneigt war. Er hieß Chand Kabi und war eine Art Mystiker, und er brachte mir viele Dinge bei, die normaler weise nicht in den Lehrplan von kleinen Jungen unter zehn Jahren gehören. Zum Beispiel die Telepathie, die er für sich derart ver vollkommnet hatte, daß er sich mit einer Person, mit der er psychisch harmonierte, auf große Entfernungen unterhalten konn te, als ob er ihr gegenübersäße. Nicht nur das – er konnte auch geistige Bilder auf große Distanz projizieren, so daß der Empfän ger seiner Gedankenwellen sehen konnte, was Chand Kabi vor Augen hatte oder ihm übermitteln wollte. Diese Dinge brachte er mir bei.«
»Und auf diese Weise haben Sie mir am Dreizehnten auch meine mitternächtliche Besucherin zugeführt, nicht wahr?« fragte ich.
Er nickte. »Dieser Versuch war unumgänglich, um festzustellen, ob zwischen uns eine psychische Harmonie besteht. Ihr Brief mit den genauen Worten, die ich die Erscheinung sprechen ließ, über zeugte mich schließlich davon, daß ich endlich die Person gefunden habe, nach der ich schon lange Zeit suche.
Aber ich will mit meiner Geschichte fortfahren, damit Sie mög lichst genau über mich Bescheid wissen und beurteilen können, ob ich Ihres Vertrauens und Ihrer Unterstützung würdig bin.
Ich war noch nicht elf, als mein
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