Venus allein zu Haus
blinzelt mit den Augen. Ich sehe Tränen in ihnen schimmern. Oh Gott, er liebt mich. Er weiß, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hat, und nun hat er Angst, dass ich ihn nicht mehr zurückhaben will. Oh Jan, weißt du denn nicht, wie sehr ich dich liebe? Das Blinzeln wird stärker, jetzt fängt er auch noch an zu schniefen. Ich muss mich schwer zusammenreißen, um nicht meine Hand auf seine zu legen. Aber ich möchte
erst hören, was er zu sagen hat. »Wir … wir müssen …« Seine Nasenflügel beben, er reißt plötzlich den Mund auf und … niest. »Haatschii.« In diesem Moment entdecke ich Dotty, die träge zusammengerollt auf dem Stuhl neben Jan liegt und mich mit halb geschlossenen Augen ansieht. »Entschuldige, die … die Katze, haaatschi. Haaatschi.« Er wartet einen Moment angespannt, doch der Niesanfall scheint vorbei. Er sieht sich suchend auf dem Küchentisch um. »Müssten meine Augentropfen nicht irgendwo hier stehen?« Augentropfen?
»Was willst du sagen, Jan?«, frage ich und eine böse Ahnung beschleicht mich. Ihm tränen nicht die Augen, weil er mich vermisst. Ganz und gar nicht. Sein Immunsystem wehrt sich gegen Dottys Haare, die, seit ich nicht mehr zweimal täglich sauge (Hausarbeit ist in Phase 1 ein absolutes NO-NO) fröhlich durch die ganze Wohnung schweben. Und wirklich:
»Ich weiß, wie sehr du leidest, Helen.« Woher willst duuu das denn wissen? »Ich wollte heute eigentlich auch erst mal ein paar Sachen holen, während du nicht zu Hause bist. Aber anscheinend verlässt du die Wohnung schon seit Tagen nicht mehr.« Ich werde knallrot und blicke auf die Tischplatte. »Wir können uns doch sowieso nicht aus dem Weg gehen. Helen«, seine Stimme ist so weich wie Butter in der Sonne. »Wir haben zusammengelebt.« Ja, ganze viereinhalb Wochen. »Wir müssen doch besprechen, wie wir das mit der Wohnung machen.«
3.
Hier sitze ich nun in meinem schicken Kordanzug. Jetzt bin ich nicht nur todunglücklich, betrogen, verlassen und in Gefahr, eine alte Jungfer zu werden. Nein, nun bin ich zu allem Überfluss auch noch obdachlos.
Ich öffne Lara, die es immerhin bis kurz vor die eigene Wohnung geschafft hatte, bis mein neuerlicher Hilfeschrei sie erreichte, die Haustür. Gemeinsam packt es sich schneller. Eigentlich würde ohne Lara gar nichts vonstatten gehen, da ich nur auf dem Bett sitze und heule, während sie meine Sachen in Koffer und Kisten verstaut. Ja, so sieht es aus. Nun werde ich zu allem Überfluss auch noch aus meinem Zuhause vertrieben.
»Ich will dich natürlich nicht aus unserer Wohnung vertreiben, Helen, ich weiß ja, dass ich an allem Schuld bin. Bloß wirst du dir die Miete alleine wahrscheinlich nicht leisten können, oder?« Oder? Was heißt hier oder? Der Mistkerl weiß doch ganz genau, dass ich nicht mal so eben tausend Euro im Monat fürs Wohnen raushauen kann. Na schön, ich verdiene nicht schlecht, aber wer weiß denn, wie es nächsten Monat aussehen wird?
»Es kann nicht jeder so ein Scheiß-Yuppie sein wie du«, habe ich ihn angefaucht, den Herrn Ich-habe-meine-Internetfirma-genau-zum-richtigen-Zeitpunkt-gegründet.
»Ich kann verstehen, dass du sehr wütend bist, Helen«, hat er auf mich eingeredet wie auf ein krankes Tier, »und du hast auch sicher allen Grund dazu.« Danke! Danke vielmals. »Wie gesagt, wenn du das mit der Miete irgendwie hinbekommst, dann bin ich gerne bereit, auszuziehen. Wirklich. Ich möchte es dir so leicht wie möglich machen. Das alles tut mir so Leid.«
Dafür kann ich mir leider auch nichts kaufen. Es läuft letztlich immer auf dasselbe hinaus: Nämlich, dass ich meine Sachen packen muss.
»Ich glaub’s nicht«, stöhnt Lara, während sie meine Keramikengel-Sammlung aus dem Regal räumt und dick in Zeitungspapier einhüllt, »du wohnst doch erst seit einem Monat hier. Andere Leute haben nach einem halben Jahr noch Umzugskisten im Flur rumstehen. Wieso musst denn ausgerechnet du schon alles ausgepackt haben?«
»Ich konnte doch nicht ahnen, dass ich sofort wieder ausziehen muss«, schniefe ich.
»Und selbst wenn, hätte sie trotzdem alles an seinen Platz gestellt«, unkt Sophia. Diese gemeine Person. Sollte sie mir nicht beistehen in so einer schweren Zeit?
»Ich verstehe nicht, warum du freiwillig aus dieser tollen Wohnung ausziehst. So was findest du doch nie wieder.« Na und? So einen tollen Mann wie Jan finde ich auch nie wieder, aber mich fragt ja keiner.
»Ich sag doch, ich kann es mir nicht leisten.«
»Na, und
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