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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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mehr nicht«, verteidige ich nun Bernds Aktion, die ich selber vor noch nicht allzu vielen Stunden auch nicht komisch fand, »und jeder außer dir dusseligen Schnepfe hat es auch als das verstanden.«
    »Tut mir Leid, ich hab mich nur so gefreut, weißt du«, flüstert sie kaum hörbar.
    »Klar«, versetze ich sarkastisch, »weil du mich ja heiß und innig liebst und nichts als mein Wohlbefinden im Sinn hast.«
    »Ja, genau«, sagt sie schlicht und mir bleibt fast der Mund offen stehen. Gerade will ich anfangen, sie an die unzähligen Male zu erinnern, wo sie mir in den Rücken gefallen ist, mich verpetzt oder mies behandelt hat, da fällt mir ein, dass unten im Wohnzimmer Angela und Papa wahrscheinlich gerade dabei sind, die Hochzeit in allen Einzelheiten zu planen in der Annahme, dass meiner Altjüngferlichkeit nun doch noch ein Ende gesetzt wird. Ich habe jetzt keine Lust, mit Jacqueline über Grundsätzlichkeiten zu streiten, die sie sowieso nicht kapiert. Ich muss Schadensbegrenzung betreiben. Aber wie?
     
    Am Abend sitze ich mit der kompletten Familie, Jackie und Anhang eingeschlossen, beim Essen. Merkwürdig. Mein dreißigster Geburtstag war es meinem lieben Herrn Schwager nicht wert,vorbeizukommen,aber wenn ich endlich unter die Haube komme, ist das natürlich ganz was anderes. Ich habe es immer noch nicht geschafft, Klartext
zu reden. Was soll ich denn sagen? »Eure eine Tochter ist dümmer als die Polizei erlaubt und die andere ist nach wie vor ohne Mann«?
    »Wann lernen wir ihn denn nun endlich einmal kennen, deinen Verlobten«, will Angela wissen und hält mir die silberne Platte mit dem Schweinefilet unter die Nase.
    »Nein, danke, ich esse kein Fleisch«, sage ich und reiche die Platte an Paul weiter, der sich eifrig den Teller voll schaufelt.
    »Ich bin auch schon sehr gespannt«, pflichtet mein Vater ihr bei, »laut Jackie ist er ja wohl ein ausgesprochen netter, junger Mann.« Ich werfe selbiger einen hasserfüllten Blick zu. Sie zieht verschreckt den Kopf ein und starrt auf ihren Teller.
    »Nicht nur ein Enkel, auch noch ein Schwiegersohn«, sagt Angela und sie klingt richtig erfreut. Sie wirft mir einen Blick zu, aus dem fast so etwas wie Wärme und Zärtlichkeit spricht. Ich seufze tief. Genau so soll es sein. So habe ich es mir vorgestellt. Nur natürlich nicht mit Bernd. Sondern mit jemandem, den ich liebe.
    »Und Bernd liebst du nicht«, fragt Sophia.
    »Natürlich nicht. Doch, schon. Aber nicht so. Als Freund eben. Er ist ein Freund, nichts weiter.«
    »Verstehe«, nickt sie, »meinst du nicht, dann wäre es jetzt an der Zeit, das kleine Missverständnis aufzuklären?« Erschrocken reiße ich die Augen auf. Jetzt schon? Ich hatte gehofft, mich noch ein wenig in meinem falschen Ruhm sonnen zu dürfen, bevor ich meinen Vater enttäuschen müsste. Mal wieder.
    »Es wird immer schlimmer«, warnt Sophia mich. Was mache ich denn bloß?
    »Würdest du dich auch noch auf deinen Schwiegersohn freuen, wenn ich dir erzähle, dass er in einer versifften
WG auf der Reeperbahn wohnt?«, frage ich meinen Vater todesmutig.
    »Wie bitte?«
    »Und dass er bis vor ein paar Wochen noch nie einen Anzug getragen, geschweige denn besessen hat. Dass er in der Schule zweimal sitzen geblieben ist. Dass er ein Abitur von 3,2 gemacht hat. Dass er sich seine Haare normalerweise mit der Küchenschere selber schneidet. Dass er auf Demos der Globalisierungsgegner geht. Dass er von der Hand in den Mund lebt und nicht einmal einen Bausparvertrag besitzt. Oder eine Lebensversicherung.«
    »Helena, was soll denn das«, fragt mein Vater streng.
    »Die Verlobung ist gelöst«, sprudelt es aus mir hervor. Konsterniert sieht Papa mich an. Und Angela? Die Stiefmutter blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum. Ich atme schwer und suche Sophias Blick. Wenn mich hier schon alle anderen angucken, als wäre ich eine der Anstalt entlaufende Irre, dann hätte ich doch wenigstens gerne in ihren Augen eine Spur von Anerkennung entdeckt. Aber sie nickt mir nur knapp zu, ihr Gesicht ist merkwürdig neutral. Manno. Von hier bekomme ich also keine Hilfe. Kann mal bitte einer was sagen? Lange halte ich das nicht mehr aus. Mein Blick wandert weiter und bleibt an meiner Schwester hängen. Fast unmerklich nicke ich mit dem Kopf. Na los doch! Jetzt tu gefälligst auch mal was! Schließlich hast du mich in diesen ganzen Schlamassel erst reingebracht!
    »Ich möchte eine natürliche Geburt«, platzt Jackie da heraus. Kein schlechter Schachzug, das muss

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