Venus allein zu Haus
mitnehmen.«
»Die eine oder andere?«, frage ich spöttisch. »Na, das hast du ja auch gründlich getan.«
»Eifersüchtig?«
»Pfffhh.«
»Es funktioniert heute einfach nicht mehr so wie bei unseren Großeltern. Man muss sich einfach ein bisschen austoben. Und frau natürlich auch. Und dazu wollte ich dir gerne die Gelegenheit geben.« Sanft fährt er mir mit seinem Zeigefinger über die Wange. Eine zärtliche Geste, die ich im Moment überhaupt nicht ertragen kann. Ich ziehe unwillig meinen Kopf zurück und sage ironisch:
»Wie ausgesprochen großzügig von dir. Und was hättest du gemacht, wenn Jan nun nicht plötzlich schwul geworden wäre? Immerhin hatten wir schon einen Hochzeitstermin.«
»Stimmt, das war knapp. Ich habe damals, kurz bevor du ihn kennen gelernt hast, einfach nicht schnell genug geschaltet. Weißt du noch, der eine Abend im Park, als du gesagt hast, du hättest jetzt endgültig die Nase voll von diesen Beziehungen, die nirgendwo hinführen?« Allerdings weiß ich das noch. Das war nach meiner kurzen, aber heftigen Affäre mit Kevin. Ich weiß gar nicht mehr genau, wo ich den aufgegabelt hatte, jedenfalls war ich der festen Überzeugung, dass er mein absoluter Traummann wäre. Obwohl er eine ganze Ecke jünger war als ich. Nicht so viel jünger, wie man angesichts seines Vornamens vermuten könnte, denn schließlich schossen nach dem Film »Kevin allein zu Haus« im Jahre 1988 seine Namensvettern wie Pilze aus dem Boden. Mein Kevin war ein Vorreiter aus dem Jahre 83 und damals stolze zwanzig Jahre alt. Und außerdem extrem weit und reif für sein Alter. Und da ich doch selber auch so jung aussehe, fand ich, wir wären das perfekte Paar. Geschaffen für die Ewigkeit. Bis Kevin eines Tages einfach nicht mehr anrief. Das war mir das letzte Mal in der neunten Klasse passiert, und ich musste einsehen, dass mein Realitätssinn augenscheinlich eine leichte Schieflage hatte. Das war der Abend, als ich mit Bernd zusammen auf einer Decke im Stadtpark lag, in die Sterne starrte und unterstützt von einer bewusstseinserweiternden Droge, von der ich normalerweise (ehrlich) die Finger lasse, der Wahrheit ins Auge blickte. Mir wurde klar, dass ich mir tatsächlich die falschen Männer ausgesucht hatte. Dass ich eine tief verwurzelte Angst vor echter Nähe, vor tiefen Gefühlen, vor andauernden Beziehungen hatte. An diesem Abend traf ich eine Entscheidung: Die missglückte Ehe meiner Eltern sollte meinem Glück nicht länger im Weg stehen. Ich würde meinen Fehler nicht wiederholen, sondern mir mit Feuereifer einen Mann zum Heiraten suchen.
»Eigentlich wollte ich dir noch ein wenig Zeit geben, um über den kleinen Giftzwerg hinwegzukommen«, Kevin war nur ein Meter achtundsechzig groß und außerdem ein ziemlicher Vollidiot, »und dir dann, na ja, Avancen machen.« Bei diesem Wort aus Bernds Mund muss ich mir auf die Zunge beißen, um nicht laut loszuprusten. Bevor ich meinen Benimmunterricht mit ihm gestartet habe, wusste der doch gar nicht, wie man so was macht. Seine »Avancen« bestanden daraus, dass er den Frauen eine Flasche Bier in die Hand und dann die Zunge zwischen die Lippen schob. Was die immer ganz toll fanden, denn meistens waren beide dann ziemlich schnell verschwunden. »Dummerweise«, unterbricht Bernd meine Gedanken, »hattest du drei Tage später Jan im Schlepptau.«
»Drei Tage, du spinnst doch.«
»Ich schwöre es dir. Tja, und da saß ich dann.« Waren es wirklich nur drei Tage? Da scheine ich ja nicht besonders wählerisch vorgegangen zu sein. Unter diesen Umständen habe ich ja mit Jan einen echten Glücksgriff getan. Schließlich war er so gut wie perfekt. Von seiner homosexuellen Seite einmal abgesehen. »Du glaubst nicht, wie erleichtert ich war, als du mir erzählt hast, dass Jan schwul ist«, greift Bernd das unglückselige Thema nun seinerseits auf, »denn ich dachte schon, ich hätte meine letzte Chance nicht ergriffen und dich für immer verloren.« Es klingt so schnulzig und so gar nicht nach Bernd, dass mir dazu wirklich keine passende Antwort einfällt. Ich starre ihn nur mit vermutlich ziemlich einfältigem Ausdruck an. Jetzt beugt er sich nach vorne, sodass sein Gesicht ganz dicht an meinem ist. Ich rieche einen Hauch von »Roma Uomo«, nicht zu viel und nicht zu wenig, vermischt mit dem leichten Mentholgeruch seines Lippenpflegestifts und seinem ganz eigenen Geruch, der mir so oft in die Nase gestiegen ist, wenn er
mich tröstend an sich drückte. Mit großen
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