Venus allein zu Haus
zusammen sein. In mich verliebt sein. Was mache ich denn bloß? Doch ich tröste mich mit dem Gedanken, dass Bernds Verliebtheiten noch nie länger als zwei Monate gehalten haben. Genau. So wird es sein! Selbst wenn er sich wirklich in mich verknallt hat, wird das in ein paar Wochen schon wieder ganz anders aussehen. Dann bin ich wieder seine gute Freundin Helen, er ist mein lieber Kuschelbär Bernd, der mich in den Arm nimmt, wenn ich Liebeskummer habe, und noch ein paar Wochen später lachen wir vielleicht gemeinsam über die ganze Geschichte. Na also. Ist doch alles gar nicht so schlimm. Dann denke ich über meine Schwester nach. Wie kann man nur so blöd sein? Aber eigentlich habe ich ja dann doch noch alles ganz prima hinbekommen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich Papa das einfach so hinknallen würde. Es gibt keine Hochzeit, peng! Beifall heischend sehe ich Sophia an. Noch immer zeigt ihr Gesicht keine Regung.
»Was willst du denn?«, frage ich unwillig. »Du sagst mir doch immer, dass ich mich endlich gegen meinen Vater behaupten soll. Das habe ich heute getan.« Zufrieden lasse ich die Szene noch einmal vor meinem inneren Auge Revue passieren. Ich muss grinsen, als ich das Gesicht meines Vaters vor mir sehe, als ich ihm Bernds wahres Ich beschrieben habe. Ein Sitzenbleiber, ein Tunichtgut und Schlunz! So jemanden will er ja schließlich nicht in seiner erlauchten Familie haben.
»Er?«, fragt Sophia. »Oder du?«
»Können wir bitte bei euch wohnen? Übergangsweise?« Meine dunkelrote Reisetasche geschultert, Dotty in ihrer Reisebox in der linken Hand, stehe ich vor Michael und Nick und mache ein bedauernswertes Gesicht. »Wir werden auch ganz bestimmt nicht stören. Ich bin ein ausgesprochen angenehmer Mitbewohner, wirklich! Ich bin ordentlich und sehr leise und zahle pünktlich meine Miete. Ihr werdet uns kaum bemerken. Bei meinem Vater halte ich es keinen Tag länger mehr aus.« Hier stehe ich nun und flehe um die Aufnahme in eine WG. So weit ist es mit mir gekommen. Dotty maunzt herzerweichend. Braves Tier.
»Natürlich, kommt rein«, sagt Nick denn auch sofort bereitwillig, während Michael mir schon meine Tasche abnimmt.
»Wenn du dir das mit unseren Kindern genauso schnell anders überlegst, dann sind wir nächsten April schon Papas«, bemerkt er dabei grinsend. So haben wir nicht gewettet. Aber ich will mich ja nicht unbeliebt machen bei meinen neuen Mitbewohnern. Stattdessen sage ich:
»Vorerst werdet ihr mit Dotty vorlieb nehmen müssen«, und entlasse sie aus ihrem Gefängnis. Sie streckt
sich ausgiebigst und schleicht Michael vertrauensvoll um die Beine. Er beugt sich zu ihr herunter und streichelt ihren Kopf.
»Die ist ja süß. Wir wollten schon immer eine Katze.« Umso besser. Die drei sind erst mal miteinander beschäftigt, sodass ich in aller Ruhe mit meinem Sich-selbst-aufblasenden-Gästebett das Arbeitszimmer beziehen kann, das sowieso »so gut wie gar nicht« benutzt wird, wie mir die beiden glaubhaft versichern. Strippe gezogen, und wenige Minuten später steht das Bett vor mir. Zum Schlafen bereit. Da es gerade mal Viertel nach neun morgens ist, beziehe ich es nur mit meiner hellblauen Bettwäsche und hänge meine Klamotten auf den ebenfalls mitgebrachten zusammenklappbaren Kleiderständer. In weniger als einer halben Stunde ist mein »Zimmer« fertig.
Kaum sind die beiden Jungs am nächsten Morgen aus dem Haus, kann ich es mir nicht verkneifen, die Wohnung ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen. Nein, nein, sooo doch nicht. Also wirklich. Ich bin nicht auf der Suche nach schmutzigen Heftchen oder Sexutensilien. Vielmehr durchsuche ich jedes Zimmer nach den Spuren, die mir bestätigen könnten, dass das Zusammenleben mit anderen Leuten eigentlich eine schreckliche Sache ist. Und dann auch noch mit zwei Männern, ob schwul oder nicht. Einer war mir ehrlich gesagt schon mehr als genug. Die Wohnung mit Jan zu teilen war von meiner Seite sicher der größte Liebesbeweis. Ich inspiziere das Waschbecken gründlich auf etwaige Bartstoppeln hin. Fehlanzeige. Auch keine Haare im Abfluss, keine getrockneten Schmutz-Seifenränder in der Badewanne, keine Pinkelflecken unter der Klobrille. Das Frühstücksgeschirr ist ordentlich in der Spülmaschine verstaut, die Gläser im Küchenschrank haben keine Wasserflecken,
das Besteck im Kasten ist blank poliert. Mit meinen hellrosa Söckchen schlittere ich ein paar Mal über den gefliesten Küchenboden und kontrolliere dann meine
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