Venus im Pelz
ihren Zobelpelz gehüllt, und leuchtet mit einer Fackel hinein.
»Lebst du noch?« fragt sie.
»Kommst du, mich zu töten?« antworte ich mit matter, heiserer Stimme.
Mit zwei hastigen Schritten ist Wanda bei mir, kniet an meinem Lager nieder und nimmt meinen Kopf in ihren Schoß. – »Bist du krank – wie deine Augen glühen, liebst du mich? Ich will, daß du mich liebst.«
Sie zieht einen kurzen Dolch hervor, ich schrecke zusammen, wie seine Klinge mir vor den Augen blitzt, ich glaube wirklich, daß sie mich töten will. Sie aber lacht und durchschneidet die Stricke, die mich fesseln.
Sie lässt mich jetzt jeden Abend nach dem Diner kommen, läßt sich von mir vorlesen und bespricht mit mir allerhand anziehende Fragen und Gegenstände. Dabei scheint sie ganz verwandelt, es ist, als schäme sie sich der Wildheit, die sie mir verraten, der Roheit, mit welcher sie mich behandelt hat. Eine rührende Sanftmut verklärt ihr ganzes Wesen, und wenn sie mir zum Abschied die Hand reicht, dann liegt in ihrem Auge jene übermenschliche Gewalt der Güte und Liebe, welche uns Tränen entlockt, bei der wir alle Leiden des Daseins vergessen und alle Schrecken des Todes.
Ich lese ihr die Manon l'Escault. Sie fühlt die Beziehung, sie spricht zwar kein Wort, aber sie lächelt von Zeit zu Zeit, und endlich klappt sie das kleine Buch zu.
»Wollen Sie nicht weiterlesen, gnädige Frau?«
»Heute nicht. Heute spielen wir selbst Manon l'Escault. Ich habe ein Rendezvous in den Cascinen und Sie, mein lieber Chevalier, werden mich zu demselben begleiten; ich weiß, Sie tun es, nicht?«
»Sie befehlen.«
»Ich befehle nicht, ich bitte Sie darum«, spricht sie mit unwiderstehlichem Liebreiz, dann steht sie auf, legt die Hände auf meine Schultern und sieht mich an. »Diese Augen!« ruft sie aus, »ich liebe dich so, Severin, du weißt nicht, wie ich dich liebe.«
»Ja«, entgegne ich bitter, »so sehr, daß Sie einem anderen ein Rendezvous geben.«
»Das tue ich ja nur, um dich zu reizen«, antwortet sie lebhaft, »ich muß Anbeter haben, damit ich dich nicht verliere, ich will dich nie verlieren, niemals, hörst du, denn ich liebe nur dich, dich allein.
Sie hing leidenschaftlich an meinen Lippen.
»Oh! könnte ich dir, wie ich möchte, meine ganze Seele im Kusse hingeben – so – nun aber komme.«
Sie schlüpfte in einen einfachen, schwarzen Samtpaletot und umhüllte ihr Haupt mit einem dunklen Baschlik. Dann ging sie rasch durch die Galerie und stieg in den Wagen.
»Gregor wird mich fahren«, rief sie dem Kutscher zu, der sich befremdet zurückzog.
Ich stieg auf den Bock und peitschte zornig in die Pferde.
In den Cascinen, dort, wo die Hauptallee zu einem dichten Laubgang wird, stieg Wanda aus. Es war Nacht, nur einzelne Sterne blickten durch die grauen Wolken, welche über den Himmel zogen. Am Arno stand ein Mann in einem dunklen Mantel und einem Räuberhut und blickte in die gelben Wellen. Wanda schritt rasch durch das Gebüsch zur Seite und schlug ihn auf die Achsel. Ich sah noch, wie er sich zu ihr wendete, ihre Hand faßte – dann verschwanden sie hinter der grünen Wand.
Eine qualvolle Stunde. Endlich raschelt es seitwärts im Laube, sie kehrten zurück.
Der Mann begleitet sie an den Wagen. Das Licht der Laterne fällt voll und grell auf ein unendlich jugendliches, sanftes und schwärmerisches Gesicht, das ich nie gesehen habe, und spielt in langen, blonden Locken.
Sie reicht ihm die Hand, die er ehrfurchtsvoll küßt, dann winkt sie mir und im Nu fliegt der Wagen längs der langen Laubwand, die wie eine grüne Tapete gegen den Fluß zu steht, davon.
Man läutet an der Gartenpforte. Ein bekanntes Gesicht. Der Mann aus den Cascinen.
»Wen darf ich melden?« frage ich französisch. Der Angeredete schüttelt beschämt den Kopf.
»Verstehen Sie vielleicht etwas deutsch?« fragte er schüchtern.
»Jawohl. Ich bitte also um Ihren Namen.«
»Ah! ich habe leider noch keinen«, antwortet er verlegen – »sagen Sie Ihrer Herrin nur, der deutsche Maler aus den Cascinen wäre da und bäte – doch da ist sie selbst.«
Wanda war auf den Balkon herausgetreten und nickte dem Fremden zu.
»Gregor, führe den Herrn zu mir«, rief sie mir zu.
Ich wies dem Maler die Treppe.
»Ich bitte, ich finde jetzt schon; ich danke, danke sehr«, damit sprang er die Stufen empor. Ich blieb unten stehen und sah dem armen Deutschen mit tiefem Mitleid nach.
Venus im Pelz hat seine Seele in ihren roten Haarschlingen gefangen.
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