Venus und ihr Krieger
Vereinigung. Claudius!
»Claudius!« Ihre Augen versuchten, die Dunkelheit des Kerkers zu durchdringen. Es war kein Trugbild dämonischer Geister.
»Pssst!« Die athletische Gestalt eilte, dicht an die Wand gepresst, durch den Gang. Mit einem klirrenden Geräusch fiel der Riegel des Gitters zurück.
»Claudius!« schluchzte Pila, dann versagte ihre Stimme.
»Natürlich! Oder dachtest du, ich lasse es zu, dass die Löwen ihren Appetit an dir stillen? Das steht nur mir zu!« Er lächelte tatsächlich dabei und sie spürte für einen winzigen Moment seine warmen Lippen auf ihrem Gesicht. »Beweg dich nicht!«, flüsterte er. Fast lautlos öffnete er mit einem Schlüssel das Schloss, das die Ketten an der Wand hielt. Pila hielt sie fest, damit sie nicht rasselnd zu Boden stürzten.
»Woher hast du …«, wollte sie fragen.
»Später! Leise!« Claudius blickte sich um. Doch auf dem Gang blieb es ruhig. Ein kehliges Röcheln drang aus den Löwenkäfigen herüber. Vorsichtig zog er die Ketten aus den Fes-selringen. »Die Fesseln müssen wir später abmachen. Kannst du damit laufen?«
»Ja«, flüsterte Pila und tastete nach seiner Hand. Sein Oberkörper war nackt, er trug nur einen Schurz und leichte Sandalen. Geschmeidig wie ein Raubtier glitt er wieder auf den Gang und zog Pila mit sich. Sie bemühte sich, nicht mit den eisernen Fußfesseln aneinander zu stoßen.
Auf dem Boden des Ganges hockte ein Wächter. Pila zuckte zurück. Doch Claudius zog sie weiter.
»Der sagt nichts mehr«, murmelte Claudius. Im Schein der Fackel erkannte Pila das Gesicht des Mannes. Er hielt die Augen schreckensweit geöffnet und starrte ins Leere. Erst jetzt bemerkte sie den blutigen Dolch an Claudius’ Gürtel.
Am Ende des Ganges befand sich die Wachkammer, wo die anderen Wärter saßen und lautstark würfelten. Noch hatten sie nicht bemerkt, dass ihr Kumpan nicht von seinem Rundgang zurückgekehrt war.
»Hier hinauf!«, flüsterte Claudius und deutete auf eine Mauer, hinter der heftige Bewegungen zu vernehmen waren.
»Was ist das?«, fragte Pila ängstlich.
»Die Elefanten. Wir müssen durch den Käfig zur anderen Seite.«
»Oh nein!« Pila geriet in Panik.
»Komm doch, es bleibt uns keine andere Wahl!« Claudius kletterte an der Mauer empor und zog Pila hinauf. Entsetzt starrte sie auf die massigen grauen Körper, die im Inneren des engen Geheges hin und her wogten. Auf allen vieren krochen sie auf der schmalen Mauerkante entlang. Die Elefanten wurden unruhig und rasselten mit den Ketten, die ihre Säulenbeine aneinander fesselten. Die beiden Flüchtenden verharrten für einen Augenblick, bis die Tiere sich wieder beruhigt hatten. Dann krochen sie weiter bis zum Ende der Mauer. Ein verwinkelter Gang schloss sich an.
Unversehens standen sie vor einem weiteren Gehege. Mehrere Leoparden lagen auf dem Boden. Sie sprangen auf und einer fuhr mit der Pranke durchs Gitter. Pila spürte den heißen Atem der Raubtiere. Sie zitterte am ganzen Leib. Claudius packte sie fest.
»Sie haben genauso viel Angst wie du«, sagte er. Dann zeigte er nach oben. »Wir müssen am Gitter hochklettern, um auf das Dach zu gelangen.«
Pila vermeinte, das ihr Herzschlag aussetzte. »Bei Odin, das ist Wahnsinn!«, stammelte sie.
»Ein bisschen was musst du schon riskieren, um die Frau eines Gladiators zu werden«, scherzte Claudius. »Du kletterst voraus und ich lenke die Bestien ab.« Mit dem Bein trat er nach den Leoparden, die sich jetzt begierig ans Gitter stürzten, um seinen Fuß zu erhaschen.
»Na los, klettere hoch!«
Pila umfasste die dicken Eisenstäbe, die in regelmäßigen Abständen durch Querstäbe miteinander verbunden waren. Behände kletterte sie daran empor und warf sich bäuchlings auf das flache Zwischendach zur nächsthöheren Ebene der Verliese. Schaudernd und zugleich besorgt blickte sie nach unten.
Claudius hatte von den Leoparden abgelassen, aber alle drei Tiere liefen erregt am Gitter auf und ab und fauchten. Wie sollte er daran emporklettern können?
Pila überwand ihre panische Angst vor den Bestien und schob sich etwas nach vorn über den Käfig. Mit einer Hand klopfte sie gegen die Gitter. Die Raubkatzen hoben die Köpfe und sprangen sofort nach Pilas Hand. Claudius hatte sich einige Schritte zurückgezogen. Er nahm Anlauf, sprang gegen das Gitter und zog sich blitzschnell daran empor. Trotzdem war eine der gefleckten Raubkatzen schneller. Ihre Pranke fuhr durch die Stäbe und riss an Claudius’ Bein entlang.
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