Venus und ihr Krieger
und stark, unerschrocken und tollkühn. Aber würde er auch in ihrer rauen germanischen Heimat mit den Gegebenheiten zurechtkommen? Es war eine düstere, unwirtliche Welt voll von drohenden Gefahren.
Pila musste lächeln. Sie machte sich Gedanken über die Gefahren der germanischen Wälder. Dabei konnte hier, unter der warmen südlichen Sonne, unter dem sanften blauen Himmel jeder Brückenposten, jeder neugierige Herbergswirt zur tödlichen Gefahr werden.
Die Nordseite des Vulkans lag in undurchdringlichem Dunkel. Tau legte sich auf die Welt und kündete vom nahenden Morgen. Claudius tastete sich durch das Gestrüpp und schnalzte leise mit der Zunge. Mehrfach lauschte er in die Nacht, bis er ein kauendes Geräusch zu vernehmen glaubte. Unvermittelt standen sie vor den dösenden Maultieren, die im Halbschlaf das Laub von den stacheligen Büschen knabberten. Claudius atmete auf.
»Selbst die Esel sind mit uns«, schmunzelte er und klopfte dem Tier dankbar auf den Hals. Pila hatte erschrocken die Luft angehalten, dann aber ebenfalls erleichtert aufgeatmet, als sie die Tiere bemerkte.
Claudius nahm seinen wollenen Mantel ab und legte ihn ins Gras.
»Lass uns eine Weile ausruhen, im Morgengrauen brechen wir auf und mischen uns unter das ziehende Händlervolk. In der Dunkelheit würden wir nur Verdacht erregen.«
Er zog Pila zu sich heran. Dankbar nahm sie an seiner Seite Platz und genoss seine Wärme. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und spürte die Erschöpfung, die sich in ihrem Körper ausbreitete. Doch ihre Gedanken drehten sich seltsamerweise um die Vergangenheit. Romelia! Valerius! Der Bildhauer! Das Verlies! Bruchstückhaft zogen die Ereignisse vor ihrem inneren Auge vorbei. Trotz ihrer Müdigkeit war sie nervös. War es die Gefahr ihrer Flucht, war es die seltsame Veränderung in ihrem Leben? Sie war nicht mehr allein, nicht mehr nur auf sich selbst gestellt, nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich. Es gab einen Menschen an ihrer Seite, mit dem sie auf Gedeih und Verderb verbunden war. Und doch war er keine Last für sie, es war schön, dass es ihn gab. Er hatte ihr Leben gerettet, ihr zur Flucht verholfen. Und nun flüchtete er mit ihr gemeinsam und gab sein ganzes bisheriges Leben auf, ohne zu wissen, was ihn erwartete, was ihm die Zukunft brachte.
Aber waren sie nicht schon viel eher schicksalhaft miteinander verbunden gewesen, von dem Augenblick an, als sie in der Arena von Rom den Beistand der Dämonen der Unterwelt für ihn erfleht hatte? Oder noch eher, als sie so unvermittelt in seine dunkelblauen Augen geblickt hatte?
»Du hast an mir gezweifelt, nicht wahr, Liebste?«, schien Claudius ihre Gedanken erraten zu haben. Beruhigend strich er über ihren Arm.
»Hm.«
»Ich sagte einmal zu dir, ganz gleich, was passieren mag, du sollst nie vergessen, dass ich dich liebe.«
»Ich habe es nicht vergessen«, sagte sie leise.
»Aber du hast es nicht geglaubt.«
»Hm.« Pila schämte sich fast für ihre Gedanken. Doch sie musste sich eingestehen, dass sie Claudius tatsächlich für einen Verräter gehalten hatte. Sie hatte sich von ihm in dem Augenblick verraten geglaubt, als sich das Schicksal zu seinen Ungunsten zu wenden schien. Aber es war ein Trugschluss. Mit einer ungeheuren Selbstbeherrschung hatte er die verhasste Romelia in seine Arme genommen und den verliebten Hahn gespielt.
Wie schwer ihm diese Selbstbeherrschung gefallen war, konnte nur er selbst wissen. Es hatte ihn übermenschliche Überwindung gekostet, Romelia nicht umzubringen, als er sie in den Armen hielt. Mit Genuss hätte er jeden ihrer Knochen einzeln zerdrückt, sie erwürgt, zerquetscht zwischen seinen Händen. Doch dieser Tod wäre zu leicht gewesen, zu einfach für sie, sich von ihren Schandtaten wegzustehlen. Die Enttäuschung und Verbitterung der Verschmähten, der grässliche Augenblick, in dem sie entdecken würde, dass sie hintergangen worden war, würden in ihr wie grüne Galle wühlen, würden ihren ohnehin bösartigen Charakter weiter vergiften. Doch gleichzeitig wurde ihm auch klar, dass Romelia, solange sie lebte, eine ständige Gefahr für sie beide sein würde. Sie mussten Rom verlassen, um aus dem unseligen Bannkreis dieser schönen und kalten Frau zu fliehen.
Mit hektischen Schritten lief Romelia im Atrium der Villa auf und ab. Vor ihr standen, stramm in einer Reihe ausgerichtet, fünf ihrer Sklaven und vier Gladiatoren aus Pompeji. Sie klopfte mit einer Gerte nervös in ihre Handfläche.
»Wie
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