Venus und ihr Krieger
Maultiere. Niemand nahm von ihnen Notiz.
Pila trug ein langärmeliges Wollkleid und einen schalartigen Mantel darüber, der auch ihr Haar verhüllte. Die Schande über das abgeschnittene Haar hatte sie verkraftet, war es doch derzeit in Rom Mode, kurzes Haar zu tragen. Doch ihre helle Haarfarbe hätte sie verraten.
Auch Claudius trug die Tracht eines Handwerkers. Auf ihren beiden Maultieren waren sie zwei von Unzähligen, die auf den Lebensadern des Imperiums dahinströmten.
Während mit zunehmender Entfernung der seltsame Druck, der auf Pila lastete, nachließ, wurde es Claudius immer unbehaglicher. Sie näherten sich Capua, wo sich die Schule des Lentulus befand, seine Heimat, wenn man das als solche überhaupt bezeichnen konnte. Claudius war in Capua sehr bekannt und begehrt. Zu Recht fürchtete er, erkannt zu werden. Doch sie mussten Capua durchqueren, um auf die Via Latina zu gelangen, die sich in Casilinum mit der Via Appia vereinte.
In Capua bauten die Händler und Bauern ihre Stände auf und es herrschte ein reges Treiben. Die engen Gassen der Stadt waren kaum passierbar. Schwere Transportkarren versperrten den Weg, Herden zwängten sich dazwischen durch, und die Flüche der Treiber hallten an den Häuserwänden wider. Eine saccaria , mit zwei Ochsen bespannt, hatte den Stand eines Obsthändlers gerammt. Die Früchte rollten über die Straße, der Händler lamentierte und wehklagte, der Ochsentreiber verteidigte sich gestikulierend, und letztendlich griffen die Stadtwachen ein.
Claudius stieg von seinem Maultier ab und führte es und Pilas Tier durch das Durcheinander. Sie bahnten sich den Weg zu einer Seitengasse, wo es etwas ruhiger war. Hier lagen Tavernen, Restaurants, kleine Handwerkerläden und Lupanare.
Eine der meretrices , die ihre Leistungen anbot, stieß mit Claudius zusammen.
»Oh, Verzeihung«, murmelte Claudius und wollte sich an ihr vorbeistehlen.
»Sei gegrüßt, Fremder! Wohin so eilig?« Die meretrix drehte sich nach ihm um und blickte ihm ins Gesicht. »Oh, kennen wir uns nicht?«, fragte sie etwas verwirrt.
»Sicher nicht!« Claudius wandte schnell den Kopf ab. Er musste unbedingt sein Gesicht unkenntlich machen. Jedes schöne Mädchen in Capua kannte ihn!
Etwas irritiert blickte sie den beiden nach, dann ging sie kopfschüttelnd weiter.
Ungeduldig zerrte Claudius am Zügel der Maultiere. Er wollte Capua so schnell wie möglich hinter sich lassen. Doch als sie die Seitengasse verließen, gerieten sie in den nächsten Stau – Soldaten, die zum nördlichen Stadtausgang marschierten. Claudius drückte die Maultiere in eine Hofeinfahrt.
»Bleib hier und warte!«, sagte er zu Pila. »Ich werde allein zur Ecke gehen und schauen, ob die Luft rein ist.«
»Bitte sei vorsichtig!«, mahnte Pila besorgt.
Claudius lächelte. »Keine Sorge, das ist ein Kinderspiel.«
Lässig schlenderte er zur Ecke und bog in die Straße ein. Er wich den marschierenden Soldaten aus und blieb im Eingang einer Taverne stehen.
»Einen Becher Wein gefällig?«, fragte der Wirt.
»Nein, danke«, antwortete Claudius.
»Was willst du dann hier, du Herumtreiber? Etwa stehlen?« Unsanft packte er Claudius an seinem Kittel. Fast automatisch ging Claudius’ Griff zu seinem Schwert und der Wirt blickte ihn irritiert an. Im letzten Augenblick hielt Claudius inne. Handwerker trugen keine Waffen! Er atmete tief durch.
»Ich bin kein Herumtreiber, sondern Zimmermann. Und nun lass mich los, du Weinpanscher, ehe ich dir deinen Laden zu Brennholz zerlege!«
»War ja nicht so gemeint«, knurrte der Wirt. »Aber es treibt sich so viel Gesindel hier herum und alles will nach Rom.«
»Und wo wollen die Soldaten hin?«, fragte Claudius.
»Auch nach Rom. Irgendetwas braut sich dort zusammen. Man redet von Unruhen in der Stadt.«
»Auch ich will nach Rom, ich bin auf der Suche nach Arbeit«, sagte Claudius.
»Alle wollen nach Rom und alle suchen Arbeit. Es gibt genug Sklaven, für die Freien ist kaum etwas zu holen. Deshalb scheint es in Rom einen Aufstand zu geben. Ich rate dir, dein Glück woanders zu versuchen.«
»So, so«, murmelte Claudius. »Jetzt könnte ich doch einen Becher Wein vertragen.«
Erfreut stellte ihm der Wirt einen Tonbecher auf den Tisch und schenkte ein. Vielleicht erfuhr er etwas mehr über den Fremden, das er gegen bare Münze an den Präfekten verkaufen konnte. Man wusste ja nie, wozu es gut war. Claudius warf eine Kupfermünze auf den Tisch, trank den Becher in einem Zug leer und verließ
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