Venus und ihr Krieger
Kaserne zu eilen. Mit dümmlichem Erstaunen blickte der Präfekt der kleinen Frau nach und strich über die schmerzhaften, roten Peitschenstriemen auf seinen Armen.
»Was ist das?«, flüsterte Pila, als Claudius sich vor einen hohlen Olivenbaum hockte.
»Ein gutes Versteck. Hier haben wir ein Bündel mit Kleidung für dich und Geld und Schmuck.«
»Aber … aber … woher stammt das?«, stammelte Pila.
Claudius griente bis an die Ohren. »Du wirst es nicht für möglich halten, aber das hat Romelia hier eigenhändig versteckt.«
Fassungslos riss Pila die Augen auf. »Romelia?«
»Allerdings. Und dass das Bündel noch da ist, sagt mir, dass Romelia brav in der Herberge bei Picentia hockt und auf mich wartet. Leb wohl, schöne Romelia, und vielen Dank!«
»Ich verstehe das alles nicht, Claudius. Was hat Romelia mit all dem zu tun? Und ich verstehe auch nicht, warum du Romelia wieder in die Arme genommen hattest …«
Ungeduldig zog Claudius sie weiter. »Erspare dir deinen Atem, denn wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Eines Tages werde ich dir die ganze Geschichte erzählen. Doch jetzt müssen wir uns sputen. Wir werden den Berg in östlicher Richtung umrunden, das wird ein schwieriger Marsch. Dort befindet sich das Gut Octavium, das wir noch in der Dunkelheit passieren müssen, um nicht entdeckt zu werden. Wenn die beiden Maultiere gehorsam waren, warten sie auf uns an der Nordflanke und wir können zumindest reiten. Der arme, aber rechtschaffene Zimmermann mit seiner Frau will nach Rom ziehen, um dort sein Glück zu versuchen.«
»Nach Rom? Aber dann werden wir doch entdeckt?«
»Wir müssen nach Norden, wenn wir deine Heimat erreichen wollen. Und zuerst führen alle Wege nach Rom. Wenn wir als einfache Handwerksleute reisen, werden wir keinen Verdacht erregen. Außerdem will ich nicht auf der Via Appia reiten, sondern wir benutzen die Via Latina. Keiner käme auf die Idee, dass wir in die Höhle des Löwen marschieren. Die Fährte führt nach Süden, nach Brundisium.«
»Du hast das alles geplant und vorbereitet?«, fragte sie und langsam dämmerte ihr, dass auch sein seltsames Verhalten nach ihrer Entdeckung Teil seines verwegenen Planes war.
Bei Odin! Dieser Mann übertraf an Tollkühnheit jeden, der ihr jemals begegnet war!
Der Weg war beschwerlich und finster. Aus Sicherheitsgründen konnten sie keine Fackel entzünden und so stolperten beide den mit Lavabrocken übersäten Feldweg zwischen Weinstöcken, Obstplantagen und Gärten hindurch, vorbei an einem großen Landgut. Von fern erklang das Gebell von Hunden, das sich schon bald wieder beruhigte.
Die Nachtluft spendete angenehme Kühle. Die beiden verringerten nicht einen Augenblick ihr Tempo und Claudius bewunderte Pila ob ihrer Ausdauer. Mit raumgreifenden Schritten lief sie neben ihm her, ab und zu strauchelte sie über einen Stein, doch sie stützten sich gegenseitig und gaben sich Halt, nicht nur körperlich, sondern auch in ihren Herzen. Pila erinnerte sich an eine längst vergangene Zeit, in einer anderen Welt, als sie einen anderen Namen trug. Dort lief sie durch rauschende Laubwälder, über Hänge und Hügel, auf zerfurchten Pfaden, durch unwegsames Gestrüpp. Flink und gewandt wie ein Reh eilte sie davon, kein Jäger hätte sie jemals erreichen können. Als Kind hatte sie gelernt, in der Wildnis zu überleben. Sie konnte tagelang hungern, sich aus Reisig und Laub eine Hütte bauen, sie kannte Wurzeln, Beeren und Pilze. Doch ebenso konnte sie mit dem Stock und dem Schwert kämpfen, einen Hasen jagen oder einem Vogel nachstellen. Sie traf mit dem Pfeil ein Ziel in großer Entfernung und konnte mit bloßer Hand einen Fisch aus dem Bach holen. Dann war sie nicht Sigrun, das Kimbernmädchen, sondern die Hirschkuh mit den wachen Augen und den flinken Beinen. Damals verschmolzen Sturm- und Sonnentage zu einer einzigen Gegenwart. Damals …
Es war wie der Hauch der Freiheit, der aus der Vergangenheit wehte und ihre Instinkte zurückbrachte; Instinkte, die sie zum Überleben benötigte. Das Leben in Rom hatte sie träge und faul werden lassen, ihr Körper war verweichlicht. Auch wenn sie das gute und reichliche Essen, die entspannenden Bäder, die zarten Kleiderstoffe schön und begehrlich fand, es war Gift für ihre gestählten Muskeln, ihren an Entbehrungen gewöhnten Körper, ihren wachen Geist. Jetzt galt es, dies alles wieder zu entdecken, diese schlummernden Instinkte in ihr zu wecken. Es ging um ihr Überleben. Claudius war mutig
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