Venus und ihr Krieger
Sigmund Naiax. Kennst du ihn?«
»Von welchem Stamm bist du?«, fragte die Frau.
»Welchem Stamm?«, fragte Sigrun verständnislos. »Bin ich nicht daheim, bei meiner Sippe?«
»Ich weiß nicht, wo deine Sippe lebt, Sigrun, Tochter des Sigmund Naiax, und ich kenne deinen Vater nicht. Bist du eine der Überlebenden der großen Schlacht?«
»Was für einer Schlacht?«
»Die Kunde geht von einer schrecklichen Schlacht jenseits der hohen Berge. Doch niemand weiß etwas Genaues.«
»Nein, wir haben uns nur verlaufen.« Plötzlich bekam Sigrun Angst und sie hielt es für besser, ihre Worte mit Vorsicht zu wählen. Ihre derzeitige Sorge galt Claudius.
»Wie geht es meinem – Gefährten?«
Von der Pritsche an der Wand erhob sich ein Mann, groß, kräftig, mit rötlichem Haar. Er wirkte ungeschlacht und grob, wenngleich seine Augen gutmütig blickten.
»Er ist ein Römer, obwohl ich nicht begreife, wo ihr beide hergekommen seid und was ihr wollt«, brummte er. »Und Römer sind unsere Feinde.«
»Er ist kein Römer, wie kommst du darauf?« Sigrun richtete sich wieder auf ihrem Lager auf und die Frau stopfte ihr fürsorglich einige Felle unter den Rücken. Sie musste husten.
»Deshalb!« Der Mann hob ein Paar zertretene Sandalen hoch. »Es sind römische Sandalen.«
»Ich trage auch römische Sandalen«, erwiderte Sigrun. »Ja, wir kommen aus Rom, wir sind geflüchtet.«
»Ich will keinen Ärger haben«, sagte der Mann. »Wir sind nur einfache Viehzüchter, deshalb ist es besser, ihr verschwindet.« Die Frau, die sich bei den Worten des Mannes an den Herd zurückgezogen hatte, erhob sich nun. Sie nahm wortlos die Sandalen und warf sie ins Feuer. »Sie ist eine Keltin und sie ist krank. Deshalb wird sie bei uns bleiben, bis sie wieder gesund ist.«
»Rosmelda, das kann für unsere Sippe gefährlich werden!«, gab der Mann zu bedenken. »Und was wird aus ihm?«
Rosmelda lächelte. »Er ist Ihr Mann. Und deshalb bleibt auch er, bis er gesund ist.«
»Woher willst du wissen, dass er ihr Mann ist?«
Wieder lächelte Rosmelda weise. »Weil sie schwanger ist!«
Sigrun hatte die Felldecke bis zur Nase hochgezogen. Sie blinzelte über den Rand zu Rosmelda. Diese Frau hatte es bemerkt! Doch wie? Es war doch noch gar nicht zu sehen!
Ohne ein Wort verließ der Mann die Hütte und mit ihm die anderen. Sie war mit Rosmelda und Claudius allein.
Claudius fieberte und wand sich in heftigen Krämpfen. Rosmelda setzte sich an sein Lager und flößte ihm einen Trank ein. Dann legte sie ihm kühlende Umschläge auf die Stirn und um die Handgelenke.
»Er ist sehr krank, dein – Mann«, sagte sie. »Wenn sich in drei Tagen sein Zustand nicht bessert, sollten wir einen weisen Mann zu Rate ziehen.«
»Rosmelda, ich weiß nicht, wie ich dir danken soll. Ich hoffe, wir bringen euch nicht in Gefahr. Sobald es uns etwas besser geht, ziehen wir weiter.«
»Wohin wollt ihr?«
»Ich möchte in meine Heimat, die irgendwo zwischen diesen hohen Bergen liegt. Dort wartet meine Sippe, dort rastet mein Volk, auf der Suche nach neuem Land. Wir hatten die Äcker bestellt, die Herden auf die Weiden getrieben, als die Römer mich raubten.«
»Es ist Zeit vergangen seitdem«, sagte Rosmelda. »Und was ist mit ihm? Er ist kein Germane, er verträgt unser Klima nicht.«
»Er hat mir das Leben gerettet und ist mit mir geflohen.«
Rosmelda wiegte den Kopf. »Sehr leichtsinnig«, sagte sie. »Hat ihn kein römisches Schwert erwischt, tötet ihn die Herbstkrankheit. Er besitzt keine Winterkraft wie die Kelten und Germanen.«
»Nein, das Leben unter der Sonne Roms ist angenehm und leicht, zumindest für die, die keine Sklaven sind.«
»Bist du eine Sklavin gewesen?«
Sigrun senkte den Kopf und schwieg.
»Du brauchst mir nichts zu sagen, ich habe das eingebrannte Zeichen auf deinem Arm gesehen. Aber wir sind hier in Gallien, es stört mich nicht. Und die Knechte haben es nicht gesehen. Du solltest es bedeckt halten.«
»Dein Mann hat Bedenken?«
»Boian hat Sorge um unsere Familie. Wir haben sieben Kinder, davon fünf Söhne. Sie sollen nicht auch den Römern in die Hände fallen.«
»Ich verstehe. Wir werden sobald als möglich aufbrechen.«
Doch Claudius brauchte viel Zeit, um sich zu erholen. Fast drei Wochen lag er auf der Pritsche, schwitzte Unmengen von Wasser aus seinem Körper, trank kesselweise ein ekelhaft schmeckendes Gebräu und atmete unter einem Lederzelt den Rauch brennender Kräuter ein, der seine geschundene Lunge fast zum
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