Venus und ihr Krieger
Platzen brachte. Nach drei Wochen hieß Rosmelda ihn aufzustehen, führte ihn vor die Hütte und übergoss ihn mit eiskaltem Wasser. Dann rieb sie ihn trocken, kleidete ihn in wollene Sachen, die ihm Sigrun in der Zwischenzeit genäht hatte, und forderte ihn auf, kräftig zu essen.
Claudius erholte sich von Tag zu Tag mehr. Er verrichtete leichte Arbeiten auf dem Hof, half den Knechten bei der Versorgung der Tiere und ging sogar mit Boian auf die Hasenjagd. Er bewunderte die kunstfertig geschmiedeten Pfeilspitzen, die schönen Kurzschwerter und Lanzen. Mit den älteren Söhnen des Boian focht er zur Übung und Boian bemerkte schnell, welch ausgezeichneter Schwertkämpfer Claudius war. Nach und nach gab Boian seine Zurückhaltung gegenüber dem Fremden auf.
»In einigen Tagen feiern wir das Fest Samonios. Wir treiben die Rinder von den Almen und begrüßen das neue Jahr. Wir laden dich dazu ein, Samonios mit uns zu begehen. Und Sigrun natürlich auch.«
Claudius lächelte. »Ich danke dir, Boian. Du machst mich sehr glücklich.«
Boian blickte ihn fragend an. »Wenn du dich kräftig genug fühlst, kannst du uns beim Almabtrieb begleiten. Meine Söhne würden sich freuen.«
»Gern! Mir gefällt das Leben eines Viehzüchters, am liebsten würde ich für immer hier bleiben.« Er blickte sich um. Gallia lugdunensis, es war das fremde Götterreich, aus dem seine Mutter stammte und das ihn seltsam anzog, obwohl er doch in Rom geboren war.
Boians Hof lag in einem sanften Tal am Fuß der Ausläufer des Mons Arvernus, in der Nähe eines breiten Flusses. Auf der Gebirgsseite erstreckten sich die Almen, auf denen Boian seine Rinderherden im Sommer weiden ließ. Jetzt wurden die Tiere zusammengetrieben und ins Tal gebracht, wo sie den Winter verbrachten. In den Ställen und Pferchen lagerte frisches Heu.
»Wir sind den ganzen Sommer mit den Tieren unterwegs«, erklärte Boian, während sie zu den Almen hinaufritten. »Die meiste Arbeit übernehmen natürlich die Knechte. Doch meist ist Rosmelda mit den Feldsklaven und den Mägden allein auf dem Hof und kümmert sich um die Gärten, Felder und das Haus.«
»Und trotzdem hast du so viele Kinder?«, staunte Claudius.
Boian lachte. »Die Winterabende sind sehr lang.«
Sigrun stand neben den Frauen des Hofes und blickte den davonreitenden Männern nach.
»Machst du dir Sorgen um ihn?«, fragte Rosmelda. »In drei, vier Tagen ist er wieder da.«
Sigrun schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass er kräftig genug ist.«
»Trotzdem ist dein Blick voll Trauer. Ich weiß, selbst wenige Tage sind für Liebende eine Ewigkeit.«
Sigrun lächelte und eine leichte Röte flog über ihr Gesicht. »Wir waren seit Wochen nicht getrennt, trotzdem schmerzt es mich, meinen Liebsten davonreiten zu sehen. Aber diesmal weiß ich, dass er wiederkommt. In Rom hätte ich nicht die Gewissheit gehabt.«
Rosmelda blickte sie verstohlen von der Seite an. Offensichtlich hatten beide ein schweres Schicksal hinter sich und wer weiß, was ihnen noch bevorstand. Sie mochte die hübsche Sigrun mit dem sanften Wesen, das so anders war, als man es den kampfeswütigen Kimbern nachsagte. Vielleicht war es dieser Liebreiz, der Claudius so anzog. Sie hätte nichts dagegen, wenn beide den Winter auf ihrem Hof bleiben würden. Die Söhne freuten sich auf die Kampfspiele und Fechtübungen, die Claudius mit ihnen betrieb. Boian hatte sich bereits einige Male gefragt, ob Claudius nicht ein desertierter römischer Soldat war, so unerschrocken wie er das Schwert handhabte. Und die ausgefeilte, beidhändige Kampftechnik verriet eine professionelle Schule. Rosmelda bewunderte Sigruns Geschick im Spinnen, Weben und Nähen. Boian dagegen war von Sigruns Bierbraukunst angetan, wenngleich die Menschen hier überwiegend Wein tranken.
Die Tage verbrachte Sigrun in Rosmeldas Nähe, half ihr bei der Hausarbeit, braute Bier. Abends saßen sie gemeinsam am Herdfeuer, spannen Schafwolle und nähten Kleidung. Eine Magd webte einen wunderschönen Umhang aus naturfarbener und blau eingefärbter Wolle. Sigruns Gedanken eilten zu Claudius, der jetzt irgendwo da draußen im Gebirge mit den anderen Männern Rinder zusammentrieb und sich wahrscheinlich das erste Mal in seinem Leben wunderbar frei wie ein Vogel fühlte. Ein süßer Schmerz durchzog sie. So sehr sie sich nach ihm sehnte, so sehr gönnte sie ihm auch dieses Gefühl, das er wahrscheinlich noch nie erfahren hatte.
Rosmelda kramte einige Pelze aus einer Ecke der Wohndiele.
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