Venus und ihr Krieger
Reisetages rasteten sie etwas abseits der Straße in der Nähe einer Straßenwache. Die Sklaven bauten die Zelte auf. Der größte Teil des wertvollen Hausrates wurde darin untergebracht. Drei Zelte waren für Valerius, die Kinder und Romelia vorgesehen. Die Sklaven lagerten unter freiem Himmel auf einfachen Matten. Ebenso wurde die Küche im Freien aufgebaut. Ein schwerer Kesselofen zum Garen der Speisen wurde von einem Ochsenkarren abgeladen. Romelia wollte auch auf Reisen nichts von ihrem Komfort und ihrem Luxus vermissen, während Valerius es als erzieherisch wichtig empfand, dass die Kinder, gemeint waren seine Söhne, Härte und Ausdauer zeigten und auch mit einfachen Verhältnissen zufrieden waren.
Pila staunte mittlerweile nicht mehr über den Aufwand, den Romelia betrieb, um das Zeltlager für eine Nacht aufzubauen. Nachdem Aurus die Zubereitung der Speisen für die Familie überwacht hatte, durften Pila, Drusilla und Celius servieren. In einem Zelt wurden Klapptische und Klinen aufgestellt, um die standesgemäße Einnahme der Mahlzeit zu gewährleisten.
Drusilla ächzte und jammerte und humpelte herum. »Was ich in meinem Alter noch alles mitmachen muss«, stöhnte sie. »Diese Lauferei ist einfach nichts mehr für mich. Schau, meine Füße sind schon ganz wund.«
»Dann musst du sie nachher mit Schweinefett einreiben. Mir macht das nichts aus. Wir sind damals mit unseren Wagen auch sehr weit gezogen auf der Suche nach fruchtbarem Land.«
Pila senkte den Kopf. Damals! Wie lange war das schon her? Ob der Stamm noch in dem Tal zwischen den grauen Bergen lagerte? Oder waren sie bereits weitergezogen? Ob Helfgurd sie suchte?
Drusilla bemerkte Pilas Verstimmung. »Hast du Heimweh?«, fragte sie leise.
Pila schüttelte den Kopf. »Wonach Heimweh? Meine Heimat kenne ich gar nicht mehr. Ich war ein kleines Kind, als wir vom großen Meer fortzogen. Und dann lebte ich mit meiner Mutter im Planwagen. Der Vater und die Brüder ritten nebenher. Wir sind gezogen und gezogen, auf Wildpfaden, entlang von Flüssen, durch Täler. Es war mühsam, es war schrecklich. Wir hatten Hunger, es war kalt, wir kämpften gegen die Stämme, durch deren Gebiet wir zogen und die uns als Eindringlinge betrachteten.«
»Aber dann müsstest du doch froh sein, dass du hier leben kannst. Hier gibt es keine Kälte, keinen Winter und für uns auch keinen Hunger. Mag Romelia sein wie sie will, aber gehungert habe ich nie.« Sie schlug sich auf ihr rundes Hinterteil und Pila musste lachen.
»Ich weiß es nicht. Ich sehne mich zurück nach Vater und Mutter, nach meinem letzten Bruder, der mir geblieben ist. Und nach Helfgurd, der mich freien wollte.«
»Ist sie sehr schlimm, deine Sehnsucht?«, fragte Drusilla mitfühlend.
»Das ist es ja eben. Ich kann mich nicht einmal mehr an Helfgurds Gesicht erinnern! Es ist alles so verschwommen, wie in einer anderen Zeit, in einem anderen Land, in einer anderen Welt.«
Tatsächlich hatte Pila bereits seit einiger Zeit bemerkt, dass die Erinnerungen an Kimbernland, die Sippe und an Helfgurd verblassten. Dafür sah sie immer ein anderes Gesicht vor ihrem inneren Auge, ein kupferfarbenes Gesicht mit dunkelblauen Augen und vollem, braunem Haar. Sie sah eine blinkende Rüstung und ein schnaubendes Pferd.
Sie fuhr mit der Hand über die Augen. Nein, auch dies musste sie vergessen, vor allem nach den Geschehnissen auf dem Convivium des Valerius. Sie begriff bis heute noch nicht, was dort geschehen war. Sie hatte aus Drusillas Erzählungen gewusst, dass es eine ausschweifende Orgie werden würde, wenn sie sich auch nicht viel darunter vorstellen konnte. Sie hatte gebangt, da Valerius ihre Anwesenheit befohlen hatte, dass er sie gnadenlos entehren würde. Wenn nicht Claudius gekommen wäre. Claudius! Aus ihm wurde sie nicht schlau. Als er sie aus Valerius’ Armen gerissen hatte, war es für ihn klar, dass Pila ihm zu Willen sein würde. Und dann hatte er plötzlich doch darauf verzichtet. Er schien sogar etwas verlegen gewesen zu sein, dass Pila neben ihm lag, während diese Hetäre ihn … Sie schauderte gleichzeitig vor Lust und Entsetzen, wenn sie daran dachte. Was für eine seltsame Welt!
Claudius! Warum musste sie nur ständig an ihn denken? Er war berühmt, bekannt, begehrt. Eine einfache Sklavin interessierte ihn nicht. Wie viele Frauen Roms träumten von ihm! Und wie viele Frauen kauften ihn sich. Oder er kaufte die Frauen. Er war ein Römer, ein verdammter Römer! Und er war es nicht wert, dass
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