Venus und ihr Krieger
mir schon überlegt, ob du überhaupt noch ein standesgemäßer Umgang für uns bist. Du bist jetzt Witwe und hast dich in Trauer und Zurückhaltung zu üben. Das passt leider nicht so ganz in meinen Lebensstil. Ich brauche eine Begleitung zu den Theateraufführungen, den Spielen oder ins Badehaus, jemanden, der mit mir das Leben genießt, und keine trauernde Witwe. Das macht mich nur depressiv. Lebe wohl, Flavia! Pila bringt dich hinaus.«
Pila schluckte. Die arme Flavia wurde hinausgeworfen! Und doch musste sie gehorchen. Sie begleitete Flavia in respektvollem Abstand bis zum Tor. Dort wandte Flavia sich um.
»Dass sie kein Herz hat, wusste ich schon immer«, sagte sie leise. »Und dass sie hochmütig ist, wusste ich auch. Genau das wird ihr eines Tages das Genick brechen.«
Pila starrte sie an. War das ein Fluch, den sie über Romelia sprach? Dann waren es schon zwei, die Romelia verfluchten. Pila war sich sicher, dass sich Romelias vorbestimmtes Schicksal erfüllen würde. Und es würde ein schreckliches sein!
Endlich setzte sich der Zug in Bewegung. Und er erregte Aufsehen in Rom wie eine Prozession an einem der römischen Feiertage. Das Volk lief zusammen, um die Familie des Senators und seinen reichen Hausstand zu bewundern. Romelia hatte wieder die Vorhänge der Sänfte zurückgeschlagen, um sich ausgiebig bestaunen zu lassen. War es doch für längere Zeit das letzte Mal, dass sie den Trubel und die Geselligkeit der Stadt aller Städte erleben konnte. Aber das Klima wurde immer stickiger und es war an der Zeit, dass sie auf ihr Landgut zogen. Vor allem Valerius freute sich nach den anstrengenden letzten Wochen auf eine kleine Ruhepause.
Der Zug bewegte sich langsam den Hügel Palatinus hinunter. Sie nahmen extra einen kleinen Umweg am Circus Maximus vorbei, um sich gebührend bestaunen zu lassen. Dann befanden sie sich schon auf der Via Appia. Durch die Porta Appia verließen sie endgültig die Stadt.
Pila fühlte sich wie ein Pferd, das nach dem langen Winter das erste Mal wieder aus dem Stall geführt wird und nun den verführerischen Duft der frischen Luft einsaugt. Sie betrachtete die ausgedehnte Landschaft und die pinienbestandenen Straßen, die, einem Spinnennetz gleich, alle einem Ziel zustrebten – Rom.
Sie aber zogen hinaus durch die freie Natur in Richtung Süden. Pila hatte keinerlei Vorstellung, wie weit sie reisen mussten, um den Landsitz von Valerius zu erreichen. Drusilla hatte etwas von drei Tagen erzählt, wenn man mit dem Pferdewagen fuhr. Doch diesmal hatte Romelia darauf bestanden, dass sie per Sänfte reiste. Sie war es leid, in den unkomfortablen Redas, den schweren Reisewagen mit vier Rädern, in denen man auch übernachten konnte, auf dem großplattigen Straßenpflaster unsanft durchgerüttelt zu werden. Das bedeutete aber, dass sie mindestens eine Woche unterwegs sein würden.
Schnurgerade schlug sich die Straße vor ihnen durch die Landschaft, gepflastert mit riesigen Steinen, gebaut nur zu dem Zweck, römische Legionen schnell und ohne Verzögerung gen Süden marschieren zu lassen, zur Eroberung neuer Länder und zur Niederschlagung von Aufständen in bereits unterworfenen Ländern. Doch genauso gern nutzten zivile Reisende die bequeme Straße, um auf diesem Weg schneller an ihr gewünschtes Ziel zu gelangen.
Sie trafen auf ihrer Reise unzählige Bauern mit Feldfrüchten und Tieren und viele Händler mit exotischen Waren, die alle nach Rom strebten; der brodelnden Stadt, die wie eine fette Spinne inmitten des Straßennetzes lag und schier unersättlich war.
Im Hintergrund zogen sich die Albaner Berge hin, die die Stadt Rom mit Wasser speisten. Pila blickte sich um. Die Zeit, in der sie fast täglich an Flucht gedacht hatte, war vorbei. Noch einmal blitzte der Gedanke in ihr auf. Doch inzwischen hatte sie genug gelernt über das römische Gemeinwesen, um zu wissen, dass eine Flucht keinen Sinn gehabt hätte. Die Organisation der Römer war tatsächlich perfekt. Ganz Rom war übersät mit Polizei- und Feuerwachstationen und auch entlang der Via Appia gab es in regelmäßigen Abständen Stationen zum Wechseln der Pferde, Wirtshäuser und Wachtürme, Zollstationen und Tempel. Auch das römische Umland schien nur so von Menschen zu wimmeln und beileibe nicht nur von Römern. Aus der ganzen Welt zog es Menschen in die Gegend, einige freiwillig, viele aber als Gefangene und Sklaven oder aus der Not, um an der kostenlosen Speisung für die Armen teilzuhaben.
Am Abend des ersten
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