Venus und ihr Krieger
Hand und beugte sich zu ihr herüber.
»Du bist meine Freundin, Romelia, und ich möchte dir etwas anvertrauen. Ich weiß nicht weiter, vielleicht hast du einen Rat für mich. Wie du weißt, ist mir bisher das Glück versagt geblieben, eigene Kinder zu haben. Dabei wünsche ich mir nichts sehnlicher, als Diodoros einen Erben zu schenken. Doch es will sich nicht einstellen. Ich weiß, dass es hier einen Isistempel gibt. Ich möchte die Göttin um Hilfe anflehen.«
»Athenais, die Anbetung der Isis wird nicht gern gesehen. Auch wenn deine ägyptischen Sklaven ihre Göttin mitgebracht haben, so solltest du davon Abstand nehmen.« Athenais blickte Romelia fast flehend an. »Ich weiß aber, dass die Göttin eine große Macht hat. Ich habe schon alles andere versucht, doch nichts hat geholfen. Ich möchte zu Isis beten und ihr opfern. Aber ich wage nicht, allein an den Tempel zu gehen. Würdest du mich begleiten?«
Romelia kaute auf ihrer Unterlippe. »Wie stellst du dir das vor? Du bist doch in deinem Haus gefangen. Wie willst du zum Tempel gelangen?«
Athenais hob hilflos die Schultern. Romelia überlegte krampfhaft.
»Ich hab’s!«, rief sie plötzlich. »Ob Diodoros dir gestatten würde, bei mir zu nächtigen?«
»Was?« Athenais riss überrascht die Augen auf. »Wozu denn das?«
»Wozu? Na, aus meinem Haus könnten wir verkleidet zum Tempel gelangen. Keiner würde etwas merken. Lediglich deine Sklavin käme mit und meine. Und die schweigen.«
»Ich weiß nicht …« Athenais blickte Romelia zweifelnd an. »Wir könnten es vielleicht versuchen.«
Romelia ließ eine Botschaft an Diodoros senden, und nachdem auch Valerius Fürbitte eingelegt hatte, gab Diodoros sein Einverständnis. Er war viel zu sehr mit Nikandros beschäftigt, um zu vermuten, dass hinter seinem Rücken etwas Unrechtes geschah. Dass Valerius sich in die Frauenangelegenheiten einmischte, hatte einen tieferen Sinn. Denn als Romelia hörte, dass er Pila als Modell an einen Bildhauer vermietet hatte – dass die Statue für Valerius selbst bestimmt war, verschwieg er ihr –, war Romelia aufgebracht. Doch da sie Valerius’ Hilfe brauchte, um Diodoros’ Einverständnis zu erlangen, gab sie Valerius’ Forderung nach, stundenweise auf Pila zu verzichten. Romelia legte es nicht mehr darauf an, sich mit Valerius über Pila zu streiten. Zwar hatte sie den neuen Haarreifen auf Pilas Kopf bemerkt und das versetzte ihr einen heftigen Stich im Bauch, aber sie beherrschte sich. Eines Tages würde Valerius nicht in ihrer Nähe sein, dann würde sie es der Sklavin heimzahlen. Vorerst jedoch hielt Romelia Frieden und Athenais durfte eine Nacht in Valerius’ Haus verbringen.
Athenais hatte ihre Sklavin Acme eingeweiht. Auch Acme war eine Anhängerin des Isiskultes und sie war nur zu gern bereit, ihre Herrin zum Tempel zu begleiten. Am Abend bereiteten sie heimlich die Opfergaben vor und verstauten alles in einem Korb.
Spät in der Nacht schlichen die beiden Frauen mit ihren Sklavinnen in den Park hinaus. Zu Pilas Überraschung eilte Romelia zu einer winzigen Pforte in der Mauer, die zwischen Bäumen und Büschen kaum auszumachen war. Durch diese konnten sie das Grundstück unbemerkt verlassen. Der Tempel der Isis befand sich in Pompeji unmittelbar hinter dem Großen Theater. Sie mussten fast eine Stunde durch die Dunkelheit tappen.
Der Tempel war sehr klein und aus dunklem Lavagestein errichtet. Er musste schon sehr alt sein und vorher einer anderen Gottheit gedient haben. Die Griechen, die bereits vor den Römern in Campania gesiedelt hatten, verehrten auch die der Isis gleichende Demeter. Irgendwann verschmolzen die Gottheiten und es entstand ein Mischwesen, das zwar den Namen der ägyptischen Göttin Isis trug, deren Gestalt aber augenscheinlich griechisch erschien.
Pila bestaunte die eigenartige Göttin, deren Standbild sich auf einem mehrstufigen Sockel erhob. Es war eine wohl proportionierte Frau, die eine gewaltige Krone auf dem Kopf trug.
Auf der Vorderseite der Krone war das Gehörn einer Kuh mit einer Sonnenscheibe und zwei hohen Federn zu sehen. Isis war mit einem dünnen, eng anliegenden Gewand bekleidet, über dem ein fransenbesetzter Mantel lag, der zu einem Knoten verschlungen war, sodass er die Brüste der Göttin hob. Seltsamerweise hielt Isis ihr Gewand mit beiden Händen erhoben und zeigte ihre Scham.
Die beiden Frauen näherten sich in gebeugter Haltung dem Altar und legten Blumen, Getreide und Wein nieder. Eine der Priesterinnen,
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