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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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verlassen, wie die Hindus das Sterben nennen. Leider, ohne Toga vorher zu seinem Nachfolger zu bestimmen. Das betrübte diesen sehr. Er haderte eine Zeit lang mit Maria Magdalena, die ihn zum Kotzefresser gemacht hatte, aber dann sah er, dass alles Gottes perfektem Plan folgte. Der hatte ihm den freien Willen gegeben, und nun hatte er, Toga, die Qual der Wahl.
    Die Jahrtausendwende nahte, und der Sinnenfreude aufgeschlossenere Gruppen, sich dem »New Age« zurechnend, jagten den singenden Haarzipfelmönchen die Gefolgschaft ab. Während einer Abendzeremonie, auf der Toga den Wänden aus den Vedischen Schriften vorlas, beschloss er, sich selbstständig zu machen, nahm sich ein Beispiel an der weltweiten Popularität des Dalai-Lama und gründete eine Non-Profit-Gesellschaft, genannt die »Glücklichen Sklaven Gottes«. In deren Statuten wurden alle Religionen auf ihre Gemeinsamkeiten geprüft und das »allen großen Religionen innewohnende verborgene Wissen« beschworen. Gott sei Gott, war Togas pfiffiger Schluss, egal, bei welchem Namen man ihn nenne, und wenn das endlich jeder begreifen wolle, dann gäbe es auch keine Kriege mehr auf der Welt. Natürlich glaubte er eigentlich nicht daran, denn es gab nur einen richtigen Glauben, und das war seiner, aber er ging mit der Mode, und was dieser Schwindler konnte, dieser Dalai-Lama, Leute mit Allgemeinplätzen locken, einwickeln und abzocken, das konnte er auch.
    Tatsächlich. Die Zeitgeistmagazine entdeckten die »Glücklichen Sklaven Gottes«. Immer mehr gut verdienende Aussteiger signalisierten ihr Interesse an glücklicherSklaverei. Toga verkaufte das alte Tempelgebäude, ein heruntergekommenes Mietshaus an der Lower East Side, an eine Fitness-Studio-Kette und erwarb vom Erlös eine kleine Kirche in der Nachbarschaft, die in den letzten dreißig Jahren erst deutsch-polnisch-katholisch, dann amerikanisch-spanisch-episkopal, dann vietnamesisch-evangelisch und zum Schluss serbisch-orthodox gewesen war. Rasch wurde die Kirche, die ihren Namen »Zum heiligen Franz« aus ihrer deutschen Phase behalten hatte, mit indischem und asiatischem Kabbala-Kitsch eingerichtet, wobei Toga mit relativ bescheidenem Grundwissen versuchte, es allen Religionen recht zu machen. Er schrieb »God« beispielsweise G-d, um den Juden nicht auf den Schlips zu treten, er ließ sogar einen Altar herstellen, dessen Symbol je nach Gottesdienst vom Om-Zeichen über das christliche Kreuz bis hin zum Davidstern gewechselt werden konnte. Die Tempelkirche mutierte rasch zu einer Wohngemeinschaft versprengter Religiöser aus aller Welt, die der Versuch verband, der sündhaften Welt zu entsagen. Genau genommen handelte es sich hier um eine Organisation zur Verwertung unbezahlter Mühen.
    Die Glücklichen Sklaven Gottes teilen sich in Permanente und Temporäre. Permanente, Arme mit meist kriminellen Lebensläufen, leben mietfrei und arbeiten dafür klaglos Tag und Nacht. Temporäre, von Reichtum und Erfolg gelangweilte Reiche, zahlen 2000 Dollar monatlich, auch klaglos, und müssen obendrein Teller waschen. Manchmal denkt Toga, dass sein Guru stolz auf ihn wäre. Was wir im Übrigen bezweifeln.
    *
    »Ja, ich möchte ein Zimmer mieten«, sagt unsere Venus. »Ich warte auf … den … Bliss Swami. Ich möchte ihm das Geld persönlich geben.«
    Toga, der zwar immer noch cholerisch ist, aber inzwischen gelernt hat, zu implodieren statt zu explodieren, fegt mit kleinen festen Schritten davon. Warum sie das Geld nicht ihm gibt! Seine Wut bekämpft er, indem er die Mutter Erde tritt. Er klopft dreimal fest und hart an die Tür und reißt sie dann auf. Im Dunkeln schreckt eine Gestalt hoch.
    »Könntest du bitte unseren neuen Gast abkassieren? Die Dame möchte nur mit dir verhandeln«, zischt Toga anklagend, als sei dieser Umstand die Schuld des Bliss Swami. Umgehend richtet sich die Gestalt auf und wickelt sich in seine orange Kutte, während Toga ungeduldig auf der Stelle trippelt.
    »Gib ihr das Zimmer mit der Klimaanlage«, sagt er. »Zweitausend Dollar, du hast ihr den Preis schon gesagt?«
    Der Swami nickt nur langsam und schreitet mit hängenden Armen davon, ein schlafender Riese, unverärgerbar, unerschütterlich. Jedenfalls erweckt er bei uns diesen Eindruck. Toga findet den Swami einfach nur lahmarschig.
    Im Goldbrokatzimmer wartet die Venus auf ihn. Der Bliss Swami taucht auf. Sie strahlt ihn an. Sie ist weit davon entfernt zu verhandeln. Stumm überreicht sie ihm das Geld. Er nimmt es höflich an, ein

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