Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
Hauch eines melancholischen Lächelns verwirrte ihn und klagte ihn ebenso an wie die erschreckende Klarheit ihres Geistes, die sich in ihrem Blick widerspiegelte. Einem Blick, der ihn stets anzuklagen zu schien.
»Meine Königin!« Trotz seiner Wut war er versucht, sie anzustrahlen wie ein verliebter Teenager, während er eine kleine Verbeugung andeutete.
»Bin ich das denn noch, deine Königin?« Maeves Stimme war so leise, dass Hasdrubal vorgeben konnte, sie nicht gehört zu haben.
»Meine Königin, Xerxes und Artabanos sind wie vorausgesehen ins Essener Hauptquartier zu Xylos und Melanie gestoßen.« Ihm lief ein Schauder über den Rücken als er an die zwei Wahnsinnigen dachte.
Maeve nickte erleichtert. Sie hatte damit gerechnet, dass sich die ältesten Vampire nach dem Tod Mornas und ihrer damit aufgehobenen Verbannung wieder der Vampirgesellschaft anschließen würden. Die zwei würden Xylos und seiner Gefährtin Melanie helfen, Essen gegen die Rebellen zu verteidigen – zumindest bis die Unsterblichkeit wieder hergestellt war und sie sich wieder ihrer Feindschaft widmen konnten. Aber wenn Joel Magnus’ Elixier fand – Maeve zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass der treue Schatten es finden und ihr aushändigen würde – konnte sie dieses uralte Problem ein für allemal lösen. »Gut!«
Obwohl das Wort Hohn in Hasdrubals Ohren war, versetzte Maeves wohlklingendeStimme seinen Körper in Schwingungen, die er bis vor wenigen Wochen vergessen geglaubt hatte. Eine weitere Tatsache, die ihn wütend machte.
Unter ihrem prüfenden Blick sah er zu den Särgen, die an den Wänden der Krypta aufgebaut waren. Er hasste es, wenn die Vampirkönigin ihn so eindringlich ansah. Und mit einem Mal begriff er den wahren Grund, warum er sich über seine Verliebtheit ärgerte. Weil Maeve bei klaren Verstand war und es merken konnte! Und wie würde wohl ihr Urteil über ihn ausfallen, wenn sie begriff, dass er die Frau seines toten Bruders begehrte? Die Frau, die seinen Bruder umgebracht hatte.
Maeve war schockiert über Hasdrubals Blick, als sich der Vampir zu ihr umdrehte. Ohne, dass er es bemerkt hatte, hatten sich Risse in der schwarzen Fassade seiner Augen gebildet und der Schmerz, der hindurchschimmerte war allgewaltig. Er schien die gesamte Welt einzuschließen und an seiner Existenz zu zehren. Ihr traten Tränen in die Augen, als sie begriff, dass sie ihn verlieren würde. Wenn es ihr nicht gelang, die nach Mornas Tod erloschene Unsterblichkeit wiederherzustellen, würde Hasdrubal einer der ersten sein, der seinem Alter zu Opfer fiel – und sie würde zurückbleiben und nur noch seinen Tod betrauen können.
Aber wahrscheinlich würde er sie ohnehin vorher töten! Vermutlich spielte er genau jetzt mit diesem Gedanken, rechtfertigte seine beabsichtigte Tat in stummer Argumentation und hoffte, ihr Tod würde alle retten. Sie verzog ihren Mund zu einem bitteren Lächeln. Hasdrubal hatte keinen Hehl daraus gemacht, wie er den letzten Satz aus der Vampirbibel, Lilith 6, Kapitel 6,6 »Zwei sind das Leben der Vampire, Zivilisation und Unsterblichkeit, Zwei werden Tod und Untergang sein, und…« in Zusammenhang mit dem Tod ihrer Zwillingsschwester und der daraufhin schwindenden Unsterblichkeit deutete. Wenn zwei Was-auch-immer das Leben der Vampire, Zivilisation und Unsterblichkeit waren, waren es für ihn auch dieselben zwei Was-auch-immer, die Tod und Untergang sein würden. Sie kannte Hasdrubal gut genug, um zu wissen, mit welchen Gewissensbissen er zu kämpfen hatte, weil er »Was-auch-immer« durch »Zwillinge« ersetzt hatte.
Aber sie zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass er seine Theorie prüfen würde – und wenn es darauf ankam, würde er sie töten. So, wie sie es geplant hatte. Hoffentlich irrte sie sich nicht!
Hasdrubal versuchte, den Blick abzuwenden, aber es gelang ihm nicht. Eine einzelne Träne löste sich aus Maeves Auge, hing unendlich lange Sekunden an ihren langen Wimpern und lief dann in einem kleinen Rinnsal ihre Wangen hinab. Dass sie in ihrer Trauer wie eine normale, sterbliche Menschenfrau aussah, ließ die Blutsaugerin verletzlich wirken. Eine Tatsache, die Hasdrubal die Nerven raubte, und ihn an seiner Wut zweifeln ließ, die er in all den Jahrhundertenaufrechterhalten hatte. Nur ihr Wahnsinn hatte seine Zweifel an ihrer Schuld gemildert. Es hatte immer ein »Vielleicht« gegeben. Ein »Vielleicht«, das durch ihre neue Stärke nicht mehr gegeben war und ihn jedes Mal in die Hölle
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