Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
von ihnen zurück – keine Andeutung davon, dass sie je existiert hatten.
Wieder verschmolz der finstere Vampir mit der Dunkelheit – seine Kleidung und seine schwarzen Haare unterstützten sein Verschwinden – und tauchte hinter der nächsten Linie der Angreifer wieder auf. Der Todestanz diente lediglich dazu, Joels Anwesenheit in Deutschland zu verschleiern. Es hätte nur einen Gedanken von ihm gebraucht, um seine Feinde zu vernichten. Aber ein mentaler Angriff hätte sowohl Freund als auch Feind auf seine Spur gelenkt – und vielleicht mehr von seiner derzeitigen Aufgabe preisgegeben, als ihm lieb sein konnte. Er zirkelte um die letzten drei Vampire herum, wechselte zweimal seine Schwerthand und seine Gegner waren tot, bevor sie überhaupt bemerkt hatten, dass er sich bewegte.
Immer noch lehnte der einzig wirklich ernstzunehmende Gegner am Ausgang. Unter Joels Blick löste er sich langsam und bedächtig von der Wand. Langsam genug, um Joel nicht zu einem sofortigen Angriff zu verleiten.
»Du kannst dich jetzt ergeben und die Seite wechseln, oder dich besiegen lassen und sterben, mein Freund.« Logans Stimme klang rational. Offenbar war er ebenfalls vor diese Wahl gestellt worden und hatte sich entschieden.
»Mich besiegen lassen?« Joel hob anzüglich eine Augenbraue. Logan war gut, aber so gut nun auch wieder nicht. »Von dir und welcher Armee?«
»Meiner!« Der Unterton in dem Wort war so emotionslos, dass selbst Joel ein Schauer über den Rücken lief. Etwas, was er seit seiner Verwandlung in einen Vampir nicht mehr gespürt hatte.
Er drehte sich sehr, sehr langsam um. Und erschrak trotzdem. Sein Verdacht hatte sich bestätigt – und gleichzeitig auch nicht. Nemesis, der durch die Hintertür getreten war, war der Führer der Rebellen, der Planer dieses Hinterhaltes – aberes war nicht mehr der Nemesis, den Joel kannte und besiegen konnte. Es war nicht nur sein Auftreten und seine Selbstsicherheit, es war vielmehr ein Ahnen, eine Reflexion in seinen Augen, die plötzlich nicht mehr menschlich, sondern vollkommen schwarz waren. Älter, machtvoller. Hatte die schwindende Unsterblichkeit den anderen Vampiren Kraft entzogen, so schien Nemesis Nutznießer der freigewordenen Energie zu sein.
Nur durch jahrhundertelange geübte Selbstkontrolle gelang es Joel, keinen überraschten Schritt nach hinten zu machen, als zusätzlich zu diesem Hiobsfakt zwei weitere Vampire durch die Tür kamen. Gorgias, den rothaarigen Clubbesitzer, hatte Joel erst vor kurzem kennen gelernt. Gemeinsam mit dem treuesten Verbündeten der Vampirkönigin Xylos hatte er Seite an Seite mit ihnen gegen Nemesis gekämpft – für die Frau, die jetzt als frisch gewandelter Vampir neben ihm stand. Mit ihrer makellosen weißen Porzellanhaut, den langen, schwarzblau glänzenden Haaren und den roten Lippen wirkte sie wie ein unsterbliches Schneewittchen. Zweifellos war sie ebenso kampfbereit wie Nemesis und Logan, nur ihre etwas zu roten Wangen verrieten sie. Jeder andere Vampir hätte die Röte als Aufregung gedeutet, aber Joel bemerkte auch den flackernden Blick der Vampirin. Sie fühlte sich in ihrer Situation unwohl, hatte Angst und war sich dem sexuellen Interesse Logans’ und Nemesis’ nur zu bewusst.
Joel kam nicht dazu, diese Information für sich zu nutzen, denn ohne Vorwarnung und vollkommen lautlos strömten Vampire zu den beiden Türen hinein. Sie verteilten sich so schnell und ihre Aufstellung war so gut, dass Joel einen geistigen Hilferuf zu seinen Schatten schicke – und gegen eine mentale Mauer prallte. Nemesis verzog seine Lippen zu einem herablassenden Lächeln, obwohl Joel spürte, dass es nicht die Macht des Rebellenführers war, die ihn gestoppt hatte. In diesem Spiel gab es einen fremden Mitspieler; ein unbekannter Vampir hielt das Essener Hauptquartier der Vampire, und damit auch Xylos und die Schatten, unter Verschluss. Joel konnte nur hoffen, dass sie nicht in akuter Gefahr war. Er jedenfalls war es!
Während er langsam in die Mitte des Raumes zurückwich, versuchte der gefährlichste der Schatten alle Rebellen gleichzeitig im Blick zu behalten. Angriffe liefen immer nach einem Schema ab; zwar gab es unterschiedliche Schemata, aber wirklich wichtig war nur eines: Sie waren berechenbar.
Tatsächlich erwischte er die ersten zwei Angreifer wie geplant, doch der dritte und vierte überraschten ihn ebenso wie der mentale Schlag von Nemesis. Er war nicht gegen Joel gerichtet, sondern gegen die Luft; der Luftdruck um
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