Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
sich zu ihm um. »Oder wie oft wollen Sie Olja haben?«
Höchstens an zwei Tagen in der Woche wollte er einen fremden Menschen um sich ertragen. Hatte die Anley anderes versprochen?
»Montag und Freitag«, sagte Philip Perak.
Olja wirkte enttäuscht. Doch sie nickte.
Durfte er diese Frau überhaupt putzen lassen? Sie strahlte genügend Kulturverständnis aus, dass es für die gesamte erste Reihe eines Konzertsaals reichte.
Ihr Deutsch schien tadellos.
Doch Perak wollte nichts wissen von Olja. Das hätte ihn gehemmt.
Er würde aus dem Haus gehen, wenn sie käme.
Die ersten Male wenigstens.
Er hatte ohnehin vor, viele kleine Kreise zu ziehen.
»Ein tierliebes Kind, dein Zwölfjähriger«, sagte Gernhardt, als Kummer zur Tür hereinkam. »Will auf einem Walfänger anheuern. Hat er den Elch überfahren oder war das der Zugführer?«
Kummer grinste. »Ich bin dankbar, dass der Knabe da ist«, sagte er.
Gernhardt nickte. Das war er auch. Der unauffindbare Kevin genügte ihm voll und ganz auf der Kinderliste.
Jan Kummer ließ sich auf den Stuhl vor Pits Schreibtisch nieder.
»Ich will deinen Kumpel Nick nicht verdrängen«, sagte er, »doch ich bin wieder voll dabei. Her mit den Haltestellenmorden.«
»Hast du versucht, unseren Gebäudereiniger telefonisch zu erreichen?«
»Nein«, sagte Kummer, »ist er nicht da?«
»Sieht ganz so aus, als ob Zwinglein das Weite gesucht hat.«
»Liegt was gegen ihn vor?«, fragte Kummer.
»In dem Bürohaus, dessen Adresse er uns gegeben hat, kennt keiner die Gorska. Da putzen ganz andere, und zwar gleich nach Feierabend.«
»Die Putzstelle, die sie die ganzen vier Jahre innehatte? Zu der sie an dem Morgen ihres Todes unterwegs gewesen sein soll?«
»Genau die«, sagte Pit, »und ich bin auch davon überzeugt, dass er die Gorska auf dem Perückenbild erkannt hat. Doch er behauptet das Gegenteil.«
»Dann ist sein Verschwinden ja das reinste Schuldbekenntnis«, sagte Jan Kummer. »Hätte ich nicht gedacht. Ich habe ihn einfach nur für einen komischen Vogel gehalten.«
»Hast du im Kopf, was zur Todeszeit gesagt worden ist?«, fragte Pit.
Er suchte auf dem Schreibtisch nach seinen Unterlagen. Das hatte er doch alles ausgedruckt.
»Kurz vor dem Auffinden«, sagte Kummer, »ganz genau kann ich es dir nicht sagen. Schien jedenfalls völlig logisch zu sein, dass sie zu ihrer Putzstelle unterwegs gewesen war.«
»Was hat sie denn sonst gegen halb vier Uhr morgens dort gemacht?«
»Anders als an der Alten Wöhr kannst du dich in Ottensen wenigstens eine Nacht lang amüsieren«, sagte Kummer.
»Irgendwie sieht es aus, als ob sich die Gorska durch ihr Leben gelogen hat«, sagte Pit. »Die Verkleidung. Die Putzerei.«
Er wühlte weiter in den Papieren auf seinem Schreibtisch.
»Guck doch einfach im Computer nach. Der PM, der als Erster vor Ort war, sagte jedenfalls, ihre Hände seien noch ganz warm gewesen.«
»Was ist denn das?«, sagte Pit. Er zog eine Papierseite hervor.
»Auf den ersten Blick würde ich sagen, ein Fax«, sagte Kummer.
Der Herr Hauptkommissar war in Schweigen versunken.
»Was ist es?«, fragte Jan Kummer.
»Von unseren Freunden aus Krakau«, sagte Gernhardt. »Krystof Adam ist seit vier Jahren tot. Gestorben in Görlitz.«
»Und dann schreibt er noch Briefe?«
Gernhardt schenkte ihm einen langen Blick.
Kummer stand auf. »Hast du sie in deinem Schrank?«, fragte er. »Die waren doch in Kuverts. Haben wir denn da nicht draufgeguckt?«
»Links«, sagte Gernhardt, »im obersten Fach.«
Jan Kummer holte das Bündel Briefe hervor. »Hast du das blaue Band wieder drumgebunden?«, fragte er.
»Ich alter Romantiker«, sagte Pit. »Kraków ist das Einzige, was ich noch entziffern kann«, sagte Kummer.
»Kein Datum?«, fragte Pit.
»Kein Datum«, sagte Kummer.
»Du und ich haben die Briefe doch gelesen«, sagte Gernhardt, »sind sie denn ein einziges Geflüster aus der Vergangenheit?«
»Der Opel Vectra ist schon ziemlich lange auf dem Markt.«
»Na toll«, sagte Gernhardt. »Vor vier Jahren ist Krystof gestorben und seit vier Jahren soll es die ominöse Putzstelle gegeben haben. Könnte doch sein, dass das in einem Zusammenhang steht.«
»Nach seinem Tod hat sie alle Hoffnung fahren lassen und ist in die Welt des Talmi abgestiegen. Tat aber so, als sei sie nichts anderes als eine grundehrliche Putzfrau«, schlug Kummer vor.
»Die schwarzen Kleider und die Juwelen von Bulgari sind kein Talmi.«
»Die Juwelen existieren nur in deiner
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