Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
Kind längst erwachsen war.
»Was ist denn sonst noch in der Tüte?«, maulte Anni.
Vera nahm einen messingfarbenen Tweedmantel heraus.
»Sag mir lieber nicht, was er gekostet hat«, sagte Anni.
»Ich habe auch Ohrensessel angesehen und Stoffmuster mitgebracht. Die gucken wir uns nachher mal an.«
»Haben wir die Neumöblierung dann hinter uns?«
»Das ist erst die erste Etappe«, sagte Vera, »sobald wir Perak im Kaminschacht eingemauert haben, geht es weiter.«
»Gut, dass du deinen Humor noch hast«, sagte Anni.
Pit aß Pierogi mit Kraut. Das kleine polnische Lokal hatte ihn einfach hineingezogen, als er vorüberging, um nach Hause zu finden.
Das Gespräch mit den Görlitzern hatte wenig gebracht. Der Tod des Krystof Adam war nicht wirklich geheimnisvoll. Ein Aneurysma hatte seinem Leben ein jähes Ende gesetzt.
Es musste ein schwerer Schlag für die Gorska gewesen sein.
Pit Gernhardt hatte alle Briefe noch einmal gelesen. Der Opel Vectra schien ihm darin nun in den Hintergrund zu treten. Die Liebe trat vor.
Vielleicht war er doch auf dem Wege zum Romantiker, wie er es Kummer gegenüber behauptet hatte, ohne es ernst zu meinen.
Er sollte Dora einen Heiratsantrag machen.
Die zwei Gläschen Wodka, die er nach dem Essen zum Gedenken an die Gorska und Krystof trank, ließen ihn noch bei klarem Verstand sein. Zweifelte er daran, als er an der Ampel stand und in den stockenden Verkehr schaute? Vielleicht war der Wodka doch schuld an der weichen Trägheit, die ihn zu langsam reagieren ließ.
Der nagelneue Jaguar XF floss an ihm vorbei, ohne dass Pit handelte.
Als er begriff, wen er da am Lenkrad gesehen hatte, löste sich der Stau auf und die Autos fuhren an, als hätten sie Angst, zu rosten.
Pit blieb am Straßenrand stehen und tippte das Kennzeichen in sein Handy ein. Wenn der Fahrer auch der Halter des Jaguars war, wäre es hoch an der Zeit zu wissen, womit er sein Geld wirklich verdiente.
Vielleicht hatte Karl Zwinglein eine Palme auf acht Quadratmetern und zwei Hektar Hanfpflanzen an einem anderen Ort.
Die Schrankkoffer kamen mit großer Verspätung von Kapstadt via Le Havre nach Hamburg. Keine gute Empfehlung, sie mit dem Schiff zu schicken. Nur scheinbar günstiger als eine Luftfracht, und dann waren sie noch versehentlich in einem anderen Hafen gelandet.
Philip Perak hatte vieles neu kaufen müssen. In den cognacfarbenen Koffern aus dem Bauchleder der Nilkrokodile hatte er nur das Nötigste transportieren können.
Den Kleidungsstücken, die er nun auspackte, fühlte er sich entfremdet. Die weißen Leinenanzüge sortierte er gleich aus. Auch das rohseidene Dinnerjackett gefiel ihm nicht mehr. Die vielen Teile Casual Wear von Crombie und Paul Smith, die er an den Stränden von Kapstadt und Knysna getragen hatte, schienen ihm fehl am Platze. Nur das Dutzend weißer Hemden und der schwarze Samtanzug fanden im Augenblick Gnade vor seinen Augen. Vielleicht noch die Kaschmirteile.
Er hatte abgrundtief schlechte Laune.
Gut, dass kein Montag und kein Freitag war und Olja nicht da. Obwohl er zufrieden war mit ihrer Putzerei, ertrug er ihre Anwesenheit schlecht.
Er fühlte sich nackt, kaum dass er vor ihr stand.
Nein. Sie erinnerte ihn nicht an seine Mutter. Doch die Verunsicherung, die sie auslöste, ließ ihn an die eigene Kindheit denken.
Den zweiten Hine hätte er nicht trinken sollen.
Er wusste doch, dass ihm das nicht guttat.
Perak trat auf die Terrasse. Der Himmel hing schwer und grau.
Ein schrecklicher Fehler, heimzukehren an einen Ort, an dem kein anderer ihn empfangen hatte als die Anley.
Er kreiste um Veras Haus und kam ihr keinen Schritt näher.
Nun wusste sie, dass er in der Stadt war. Dieser Mensch, der damals schon bei ihr herumgehangen hatte, konnte ihr das kaum verschweigen.
Perak blickte auf die Buchsbaumquader und dachte, dass nur noch eine List ihn zum Ziel bringen konnte.
Eine, die Vera aus dem Haus herauslockte.
Er ging ins Zimmer, einen dritten Hine trinken. Das tat ihm nicht gut, doch es würde helfen, Grenzen zu überwinden. Gedankliche Grenzen. Die Überwindung der praktischen würde folgen.
Er hatte nicht die Absicht, hier in seinem Penthouse wie auf einer Aussätzigenstation zu leben. Fernab von der Liebe.
Ein Tisch. Ein Stuhl. Ein Bett. Ein Schrank.
Eine klösterliche Zelle, in der sie lebte. Nur das Kruzifix fehlte.
Die Stickerei der Engel von Rubens galt nicht.
Tage, die sie mit Warten verbrachte. Warten, das immer quälender wurde. Sie konnte das nur
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