Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
zierten. Die Diamanten fingen irgendein Licht ein und glitzerten. Das Licht der Sterne vielleicht. Katja Anley hob den Kopf und blickte zum Himmel. Keine Sterne.
Die Uhr hatte ihr eine Zeit kurz vor Mitternacht angezeigt.
Lauerte er hinter den Flügeltüren? Beobachtete er sie?
Sie versuchte sich zu erinnern, was eigentlich geschehen war.
Doch noch kamen keine Bilder in ihren Kopf.
Katja Anley stieg vom Tisch und sah an sich hinunter. Das Kleid aus schwarzweißer Seide schien heil. Feuchte Flecken oberhalb ihrer Brüste. Hatte sie Wein verschüttet?
Sie rieb die nackten Arme, die rau waren von der Gänsehaut. Das Bolero fehlte. Auch die Füße waren nackt. Ihre Zehen tasteten vergeblich nach den Schuhen. Der Terrassenboden war unangenehm unter ihren Füßen. Quarzkiesel. Die hatten ihr von Anfang an nicht gefallen.
Katja Anley fing an, wacher zu werden.
Kuhflecken. Er hatte von Kuhflecken gesprochen und ihr Kleid gemeint.
Vorsichtig näherte sie sich den Flügeltüren. Drückte sanft dagegen. Sie waren nur angelehnt. Fast fiel sie über die kleine Schwelle und hätte Lärm gemacht. Die Anley hielt den Atem an.
Was sollte sie tun? Zur Wohnungstür schleichen und entkommen?
Bolero, Schuhe, Tasche zurücklassend?
Der schwarzglänzende Flügel. Erkennbar im Dunkel.
Auch der Elfenbeinton der Notenblätter, die auf dem Flügel lagen.
Ihre Augen gewöhnten sich.
Katja Anley atmete tief ein und schaltete die Klavierlampe an.
Stand still und ließ ihre Blicke durch den großen Raum wandern.
Keine Veränderung. Er sah aus wie immer.
Kaum eine Spur davon, dass sie sich darin aufgehalten hatten.
Kein Bolero. Keine Schuhe. Keine Tasche.
Ein einziges leeres Glas.
Was ließ sie so tollkühn sein, dass sie in die Küche ging? Ins Bad?
In der Hoffnung, die Tasche zu finden. Ihre Schlüssel darin. Vor der geschlossenen Tür des Schlafzimmers blieb sie stehen.
Legte das Ohr an die Tür und horchte. Kein Laut.
Ging in die Knie und guckte durch das Schlüsselloch.
Eine klitzekleine Lichtquelle im Schlafzimmer.
Katja Anley konnte nicht erkennen, ob sich Perak im Zimmer befand.
Sie drückte die Klinke und öffnete die Tür.
Im Fenster standen die schweren silbernen Empireleuchter, die sie angeschafft hatte. In einem erstarb eine letzte kleine Flamme.
Das Zimmer war leer.
Sie fand ihre Tasche nicht. Keines der vermissten Teile. Katja Anley verließ Peraks Penthouse ohne Schuhe, um zu Fuß nach Hause zu gehen und dort die Hausmeisterin herauszuklingeln.
»Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll«, sagte Jan van Engelenburg. Er drehte den Kelch mit dem Pinotage der Kleinen Zalze in der Hand.
Vera stand am Fenster und guckte auf die leere Straße.
Nur gelegentlich fuhr ein Auto vorbei. Halb ein Uhr morgens.
Sie hatte kaum getrunken, doch ihr Kopf fühlte sich an, als sei Watte darin. Vera wagte nicht, sich umzudrehen. Hatte sie Angst vor dem, was Engelenburg ihr sagen wollte?
Der Kleine schlief. Anni schlief.
Im sicheren Hort dieser Wohnung.
»In Frankreich soll es Ehepaare geben, die sich noch nach zwanzig Jahren siezen«, sagte sie.
»Die sind im Aussterben begriffen«, sagte Jan.
»Lassen Sie uns zum Du übergehen«, sagte Vera. Sie drehte sich um. Sah aus, als hätte sie einen Entschluss gefasst.
»Nur ein einziges Sie noch«, sagte Engelenburg.
Vera ging zu dem weißen Sofa und setzte sich ihm gegenüber.
»Ich liebe Sie«, sagte Jan van Engelenburg.
Er lachte diesen Satz nicht heiter weg. Engelenburg blieb ernst.
»Diese Erklärung birgt eine große Gefahr«, sagte er. »Es könnte alles zwischen uns ändern. Nicht zum Guten.«
Vera griff nach ihrem Glas, das auf dem kleinen Tisch neben ihr stand.
»Alle Leichtigkeit nehmen«, sagte Engelenburg.
Vera trank einen großen Schluck vom Pinotage der Kleinen Zalze, das Weingut, das sich nicht weit von Kapstadt befand.
»Daneben geschossen. Tödlich getroffen«, sagte Engelenburg.
»Das ist es nicht, Jan. Sie wissen doch, wie schwer ich mich tue.«
»Wie war das mit dem Du?«
Vera lachte. »Wir werden einander noch eine Weile umkreisen, bis wir es selbstverständlich sagen.«
»Darf ich denn auf Erhörung hoffen?«
»Erst einmal kommt die Phase, wo wir die persönliche Anrede ganz zu meiden versuchen. Das wird absurde Satzkonstruktionen geben.«
»Dass du meine Liebe erwiderst?«
»Ja«, sagte Vera. »Doch lass mir Zeit.«
Philip Perak sah zu den hellen Fenstern hoch und ahnte nicht, was dahinter gesprochen wurde. Vielleicht hätte er
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