Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
seinem Tisch.
Die Stilettos von Rupert Sanderson würde er als kleines Andenken an diese Nacht behalten. Sie gelegentlich unter den Flügel legen. Seine Vorstellung von Interieur und Dekoration.
Er zog auch sie aus dem großen Korb mit den benutzten Frotteetüchern.
Er liebte teure Stilettos. Katja Anley musste sehr gut abgefunden worden sein, so wie sie sich ausstattete.
Perak setzte sich auf seine schwarzgelackte Klavierbank und versuchte, das Spiel wieder da aufzunehmen, wo es gestern grob unterbrochen worden war. Doch die Six Epigraphes Antique à deux mains gelangen ihm nicht mehr. Er fing an, die Anley zu hassen.
Katja Anley verschlief zwei Termine. Sie hatte ein starkes Schlafmittel genommen, nachdem sie endlich zu Hause angekommen war.
Die Hausmeisterin hatte noch vor dem Fernseher gesessen und sich geschmeichelt gefühlt, der Anley aus einer Kalamität zu helfen.
Nur ihre Neugier blieb leider unbefriedigt.
Die Anley hatte keine Erklärungen gegeben, alle Fragen abgewunken und die Tür vor der Nase der hilfsbereiten Frau geschlossen, kaum dass diese Tür ihr mit dem Ersatzschlüssel aufgetan worden war.
Das Telefon neben ihrem Bett hatte am Vormittag lange geklingelt, doch sie erstickte es mit einem Kissen. Sie wurde erst wach, als ihr Assistent vor der Tür lärmte und Einlass begehrte.
Katja Anley öffnete ihm, weil sie annahm, dass er sonst den Notarzt holte, das Schlimmste vermutend. Sie sah fürchterlich aus und flüchtete ins Badezimmer. Versuchte dem erschrockenen jungen Mann durch die geschlossene Tür Antwort zu geben auf die dringenden geschäftlichen Fragen, die sich durch die geplatzten Termine aufdrängten.
Sie kam aus dem Bad hervor und hatte eine dicke mintgrüne Paste im Gesicht, die die Spuren der Schrecken verbarg. Der weiße Frotteemantel war bis zum Hals geschlossen. Sie hatte auf ihren Brüsten zwei blutige Wunden entdeckt, die sich kaum mehr Knutschflecken nennen ließen.
Als der junge Mann endlich gegangen war, brach sie in Schluchzen aus. Es machte sie noch hässlicher, doch tat gut.
Sie hatte noch immer keine Bilder vom gestrigen Abend vor Augen.
Vielleicht war das eine Gnade. Die Erinnerung sollte gern in dem schwarzen Loch bleiben, das Alkohol und Tabletten gerissen hatten.
Die Anley stellte den Anrufbeantworter an und gab zwei Aspirin in ein hohes Glas mit Vulkanwasser. Dann sann sie auf Rache.
Der Mann mit dem Hut hatte wieder vor dem Kindergarten gestanden. Johanns Mutter fing an, sehr aufgeregt zu sein.
Vera blieb gelassen. Jetzt, wo sie wusste, dass Perak vor den Toren stand, schien ihr der Mann mit dem Hut eine harmlose Variante.
Sie begleitete Nicholas jeden Morgen in den Kindergarten. Am Mittag holten Anni oder sie ihn ab. Manchmal auch Nick.
Selten Engelenburg. Er hatte viel in Husum zu tun, in diesen Tagen. Das Geschäft dort sollte größer, schöner werden.
Hauke war erfolgreich in Husum mit den italienischen Weinen und Leckereien. Südliches Leben in der grauen Stadt am Meer.
Sie vier waren den Kindergärtnerinnen bekannt. Vertraute Menschen, die sich um den Kleinen scharten. Nicholas behüteten.
Wer hatte Angst vor dem Mann mit dem Hut?
Die Kinder vielleicht am wenigsten. Ihn gesehen zu haben, wurde ein Spiel. Nicht nur Nicholas, Lenni, Johann konnten sein Vorhandensein bekunden. Doch den Kindergärtnerinnen blieb er unsichtbar.
Ein Elternabend wurde einberufen.
Ein Vater erinnerte sich an einen anderen Mann mit Hut. Pan Tau. Eine Märchenfigur. Auch diese habe sich nur den Kindern gezeigt und nicht den Erwachsenen.
Hatte dieses Märchen die Phantasie der Kinder angeregt? Gab es vielleicht ein Buch im Kindergarten? Er erinnere sich an eine Geschichte von Pan Tau, einem Jungen und dem großen Dampfer.
Eine erregte Diskussion, die da folgte.
Schein und Sein. Die Glaubwürdigkeit der Kinder.
Am Ende wurde entschieden, dass Eltern sich dabei abwechselten, mit den Kindern am großen Fenster in der Puppenecke zu spielen und nach dem Mann mit dem Hut Ausschau zu halten.
Sie hatte sich aus dem Haus getraut. Das geschah nur noch selten.
Tisch, Stuhl, Bett, Schrank wurden zu Gefährten. Sie fing an, mit den Möbeln zu sprechen. Bald trafen die Beschuldigungen von damals zu, dass sie nichts anderes sei als eine Verrückte.
Bimbis Adresse hatte sie auf einen Zettel geschrieben. Ein Zettel, der klein war wie der in einem Glückskeks. Sie stand im Bus und sah sich angstvoll um und rieb ihn zwischen den Fingerkuppen, bis er zu einem Kügelchen Papier
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