Vera Lichte 05 - Tod eines Heimkehrers
waren leer. Nur das Kruzifix hatte dort gehangen, bis es herabfiel.
Es gab kein einziges Bild bei der Gorska. Nicht eine Fotografie.
Keines zum Gedenken an ihre Eltern. An den früh verstorbenen Krystof.
Kein Kinderbild und keines der erwachsenen Frau.
Nur das in ihrem alten Ausweis, und das Foto, das ihnen der Jaguarfahrer Zwinglein zur Verfügung gestellt hatte.
Gab es Naheliegenderes, als einen Schatz im Keller zu vermuten?
Einen Dachboden gab es nicht. Dort waren weitere Wohnungen. Kleine Gehäuse für Menschen, die sich nicht lange aufhielten in diesem Haus.
Kaum mehr alteingesessene Bewohner, außer einer Alten im Parterre, die angab, keinen Umgang im Hause zu pflegen.
Das schien auch die herausragende Meinung der jungen Leute zu sein, die mit der Gorska in einern Haus gelebt hatten. Studenten in der Mehrzahl. Alle in der Blüte der Egozentrik, diesem jugendlichen Alter, in dem nur der eigene Dreck scherte.
Viertel nach sechs. Wann stand Kummer auf? War der Keller wichtig genug, um ihn zu stören? Hatte doch Zeit bis zum Büro.
Gernhardt ging ins Bad. Rasieren. Duschen. Ablenken. Von der Unruhe, die ihn ergriffen hatte seit dem Wachwerden.
»Was ist los?«, fragte Dora, als er in die Küche kam.
Sie saß am Tisch. Die Kaffeemaschine stand unter Dampf.
»Ich bin früh aufgewacht«, sagte Pit.
»Du kramst zu viel in deinem Kopf.«
Gestern Abend hatte es eine kleine Verstimmung gegeben. Weil er die Zeit vergessen hatte in dem Zimmer der Gorska.
»Du hast Hunderte Fotos«, sagte Pit. »Alben voll. Kartons voll.«
»Ich bin eine Sammlerin«, sagte Dora.
Nein. Eine Sammlerin war Marta Gorska nicht gewesen. Nicht einmal von Devotionalien.
Um halb acht rief er Kummer an. Fragte nach dem Keller.
Nur ein Verschlag. Sagte Kummer. Eine Matratze darin. Eine alte Standuhr. Vielleicht von ihren Eltern. Ein polnisches Fabrikat.
»Warum ist das wichtig?«, fragte Kummer. »Suchst du was?«
Gernhardt suchte einen Mörder. Ein Motiv. Ein paar Fotos.
Der Kellerschlüssel hing nicht an dem Ring, den Gernhardt noch in der Tasche hatte. Er lag in Kummers Schreibtisch. Kummer überreichte den Schlüssel mit einem kleinen Kopfschütteln.
»Verlass dich darauf, dass nichts anderes im Keller ist«, sagte er.
Er klang gekränkt. Pit würde Aufbauarbeit leisten müssen.
Die Tür zum Keller befand sich hinter der Treppe. Steile Stufen, die er hinunterstieg. Die Zeituhr des Lichtschalters tickte. Pit tastete seine Jacke vergeblich nach der kleinen Taschenlampe ab.
Der Keller der Gorska war wirklich nur ein Verschlag.
Eine Matratze. Eine Standuhr.
Schlichte Eiche. Das Pendel fehlte. Vermutlich stand die Uhr darum im Keller. Sie hätte gut zum Kruzifix gepasst.
Die Tür klemmte. Pit zog daran. Das ganze Gehäuse schwankte. Das Kreuz war doch deutlich massiver.
Was hatte der Herr Hauptkommissar erwartet? Dass ihm ein Geislein entgegensprang? Das untere Gehäuse der Uhr war leer. Da das Pendel nicht da war, sehr leer, ließ man die Staubflocken nicht gelten.
Pit Gernhardt fluchte, als das Licht ausging. Er trat aus dem Verschlag und tastete in tiefer Dunkelheit die gekalkten Wände ab. Hatte er nicht eben einen ehrwürdigen Drehschalter aus Bakelit gesehen?
Pit fand ihn nicht. Er riss sich die Hände an einer Holzleiste auf, die dort ohne Sinn und Verstand an die Wand genagelt war.
Das Vorhängeschloss des Verschlages ließ er offen. Ihm fehlte die Geduld, daran im Dunkeln herumzumachen.
Pit schaffte es, die Treppe zu finden und hinaufzusteigen. Oben angekommen, betätigte er den Schalter, um die steilen Stufen noch einmal im Lichte zu betrachten. Dankbar war er, sich nicht den Hals gebrochen zu haben.
Ein Bekannter von Olja holte den Mooreichentisch binnen Stunden ab.
Perak hätte ihm gern noch die lederbezogenen Kunststoffschalen mitgegeben. Er tat es einzig aus Bequemlichkeit nicht. Ihm fehlte die Lust, durch Läden zu laufen, um Ersatz zu schaffen.
Das triefende Bolero hatte er noch in der Nacht aus der Badewanne geholt, wo es gewhirlt worden war. Perak entsann sich nicht, wie das kuhgefleckte Teil dort hineingefunden hatte.
Fast hatte er geglaubt, auch die Anley auf dem tiefen Grund der granitenen Wanne zu finden. Ertrunken und zu Mooreiche werdend.
Doch nur ihre Tasche und Schuhe waren noch da. Die Tasche sollte sie zurückhaben. Ihre Papiere steckten darin. Die Schlüssel. Das Cabrio hatte er in der Nähe stehen sehen. Vielleicht hatte die Anley auf einer Parkbank geschlafen, wenn schon nicht auf
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