Verbannt
verjagen.« Er zögerte und holte tief Luft, ehe er fortfuhr: »Die Entscheidung liegt bei euch: Entweder ihr kämpft oder ihr werdet irgendwann aus eurer Heimat vertrieben.«
Ein Gewirr streitender Stimmen brach unter den Stammeskatzen aus. Steinsager brachte sie mit einer einzigen Schwanzbewegung zum Schweigen.
»Nun gut«, zischte er. »Der Stamm soll entscheiden – und endgültig beweisen, dass wir kein Clan sind.«
Distelpfote sah Löwenpfotes verdutzten Blick.
»Was sagt er da?«, fragte ihr Bruder. »Natürlich sind sie kein Clan.«
»Er will nicht, dass sie kämpfen«, miaute Distelpfote. »Aber vielleicht findet er es gerechter, den Stamm selbst entscheiden zu lassen. Schließlich werden sie mit der Entscheidung leben müssen.«
Die Stammeskatzen schauten sich verwundert an. Verwirrtes Gemurmel wurde unter ihnen laut, dann ergriff irgendwann Fels das Wort: »Steinsager, das verstehen wir nicht. Was sollen wir tun?«
»Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt.« Steinsagers Stimme klang eisig. »Ich möchte, dass ihr entscheidet, was wir tun: ob wir uns eine neue Heimat suchen oder ob wir bleiben und kämpfen. Der Stamm der ewigen Jagd will nicht, dass ich eure Entscheidung beeinflusse.«
»Ja, darauf könnte ich wetten.« Ein wütendes Knurren schreckte Distelpfote auf. Sie sah sich um und entdeckte Häherpfote, der sich zu ihnen gesellt hatte und nun neben ihr saß, den Schwanz fein säuberlich über die Pfoten gelegt.
»Was meinst du damit?«, fragte sie.
Ihr Bruder zuckte mit den Ohren. »Begreifst du denn nicht? Steinsager kann ihnen über den Stamm der ewigen Jagd sagen, was er will. Wer kennt schon die Wahrheit?«
Distelpfote schaute ihn beunruhigt an. Wie konnte Häherpfote so etwas sagen? Keine Clan-Katze würde es wagen, Lügen über den SternenClan zu erzählen – war das beim Stamm etwa nicht so?
Steinsager sprach weiter: »Alle Katzen, die kämpfen wollen, gehen zu dieser Seite der Höhle.« Er winkte mit dem Schwanz. »Diejenigen, die fliehen wollen, gehen auf die andere Seite. Und denkt daran, dass ihr über die Zukunft eures Stammes entscheidet.«
»Wollen wir hoffen, dass sie überhaupt eine Zukunft haben«, murmelte Löwenpfote.
Ein paar Herzschläge lang bewegte sich keine Katze. Distelpfote überlegte, ob sie wohl zu verwirrt darüber waren, was Steinsager von ihnen verlangte. Dann sah sie die dünne weiße Älteste namens Wolke mit einer anderen alten Katze flüstern, einem gesprenkelten braunen Kater.
»Was meinst du, Regen?«, fragte Wolke ihn. »Kämpfen oder fliehen?«
Der alte Kater schnaubte verächtlich. »Ich wollte nie kämpfen, aber ich bin zu alt, um weit weg zu fliehen.«
Direkt hinter den beiden Ältesten steckten zwei Kätzinnen die Köpfe zusammen und flüsterten ängstlich miteinander.
»Sturz, was sollen wir tun? Ich kann nicht kämpfen, während ich meine Jungen stille. Aber sie können noch nicht fliehen, sie haben kaum die Augen auf! Und ich werde sie auf keinen Fall zurücklassen.«
»Keine Sorge, Flug«, miaute die andere Kätzin tröstend. »Keine Katze erwartet von dir, dass du deine Jungen verlässt. Ich werde meine auch nicht verlassen.«
Fang tauchte über ihnen auf und die beiden Katzen schauten ihn unsicher an.
»Entscheidet euch für den Kampf«, knurrte der große Höhlenwächter. »Auf diese Weise wird der Stamm euch beschützen, so wie er alle seine Jungenmütter und ihre Würfe schützt.« Er schlang den Schwanz um die beiden Kätzinnen und zog sie hinüber zu der Seite der Höhle, wo die »Kämpfer« standen. Dort stellte er sich neben sie, als würde er sie bereits jetzt vor Gefahr behüten.
Inzwischen teilte sich der Stamm allmählich in zwei Gruppen auf. Kiesel und Spritzer kamen herübergerannt und wählten den Kampf. Schrei fauchte ihnen etwas hinterher, das Distelpfote nicht hören konnte, und verzog sich mit dem einzigen anderen zukünftigen Beutejäger auf die gegenüberliegende Seite. Nacht gesellte sich zu Fang, doch Grau entschied sich zu Distelpfotes Überraschung für die Flucht und Vogel nach kurzem Zögern auch.
Distelpfotes Herz klopfte und ihre Muskeln waren angespannt. Sie wusste nicht, warum ihr so viel daran lag, dass der Stamm seine Heimat in den Bergen behalten sollte. Sie wusste nur, dass es wichtig war, geradezu verzweifelt wichtig. Wenn sie ihre Heimat verließen, würden sie die Härten und Gefahren einer langen Reise erdulden und all ihre Traditionen zurücklassen müssen, alles, was ihnen
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