Verbannt

als ihm klar wurde, dass er nun fremdes Gebiet betrat. Erst jetzt fing das Abenteuer richtig an! Die Gerüche der Heimat verblassten hinter ihm und eine steife Brise trug neue Gerüche herbei, wild und fremd. Seine Pfoten zögerten kurz. Dumme Katze!, schalt er sich. Das hast du doch gewollt, oder? Auf beiden Seiten berührten ihn die Pelze seiner Wurfgefährten, und er spürte, dass auch sie von dem unbekannten Weg unter ihren Pfoten eingeschüchtert waren.
    Der Boden wurde nass und uneben. Häherpfote streifte ein Schilfbüschel und hörte ein Platschen, gefolgt von einem durchdringenden Froschgeruch. Kurz darauf rutschte seine Pfote auf einem nassen Grasfleck ab und Wasser schwappte über seine Hinterpfoten.
    »Fuchsdung!«, fauchte er und grub die Hinterklauen in die Erde, um sich aus dem Matsch zu hieven.
    »Alles okay?«, fragte Löwenpfote.
    »Ja«, sagte Häherpfote mit zusammengebissenen Zähnen.
    Direkt vor seinem Bruder sagte Fang leise zu Nacht: »Das ist doch verrückt, einen blinden Zukünftigen in die Berge mitzunehmen!«
    »Ich weiß«, gab Nacht zurück. »Er wird niemals mithalten können.«
    Häherpfote lag bereits eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch ehe er etwas sagen konnte, legte sich der Schwanz seiner Mutter fest über sein Maul.
    »Häherpfote kommt gut zurecht«, miaute sie. »Er kann sich auf unbekanntem Gelände ebenso orientieren wie jede andere Katze. Oder hast du noch nie einen falschen Pfotenschritt getan, Fang?«, fügte sie hinzu.
    Als der große Stammeskater nicht antwortete, ließ sie ihren Schwanz von Häherpfotes Maul auf seine Schulter wandern. »Geh hier drüben. Da ist die Erde nicht so nass.«
    Häherpfote folgte ihr, dankbar, wieder festen Boden unter den Pfoten zu spüren. Er war überrascht, dass Windpfote keine spöttische Bemerkung über sein Stolpern von sich gegeben hatte. Aber Windpfote war eine Clan-Katze; vielleicht veranlasste ihn irgendeine Art von Loyalität, andere Clan-Katzen vor Fremden nicht zu verspotten.
    Für mich eingetreten ist er nicht, dachte Häherpfote säuerlich. Das wäre wohl zu viel erwartet.
    Der Wind peitschte Häherpfote ins Gesicht und verriet ihm, dass sie den Gipfel des Felsgrats erreicht hatten. Es gab so viele neue Gerüche, dass er gar nicht wusste, wie er sie alle einordnen sollte.
    »Ist das nicht unglaublich!«, stieß Distelpfote hervor. »Ich kann von hier aus den ganzen See und alle Territorien sehen.« Sie sprang zu Häherpfote und stieß ihn mit dem Kopf an. »Da unten ist ein Bach mit Bäumen am Ufer, wo der FlussClan sein Lager hat. Und dahinter liegt ein dunkler Kiefernwald: SchattenClan-Territorium. Ich kann sogar die Versammlungsinsel sehen und die Baumbrücke … Von hier oben sieht alles so winzig aus!«
    »Da drüben ist der Wald, in dem wir leben.« Löwenpfote war an Häherpfotes andere Seite getreten. »Ich wette, wenn Blattleere wäre, könnten wir den Felsenkessel sehen. Und dann ist da noch das offene Moor, wo der WindClan lebt. Wir können alles genau erkennen!«
    »Der WindClan sieht das jeden Tag.« Windpfote war hinter ihnen herangetrottet. »In unserem Territorium gibt es viele gute Aussichtspunkte.«
    Arroganter Fellball, dachte Häherpfote.
    »Weißt du noch, wie wir zum ersten Mal hier standen?« Häherpfote roch Brombeerkralle ein Stück entfernt, mit Eichhornschweif, Krähenfeder und Bernsteinpelz.
    »Das werde ich nie vergessen«, erwiderte Eichhornschweif. »Es war Nacht und alle Katzen des SternenClans spiegelten sich im See.«
    »Ich kann immer noch nicht glauben, wie tapfer ihr wart«, warf Nacht ein. »Ihr seid so weit gereist, um eine neue Heimat zu finden, ohne zu wissen, wohin der Weg euch führt.«
    »Der SternenClan hat uns geholfen«, murmelte Eichhornschweif.
    »Und der Stamm der ewigen Jagd würde das Gleiche für euch tun«, bemerkte Bernsteinpelz, »wenn der Stamm des eilenden Wassers je die Berge verlassen müsste.«
    »Die Berge verlassen?« Nacht klang beunruhigt. »Wir werden niemals von dort weggehen, ebenso wenig wie die Geister unserer Vorfahren. Wir gehören in die Berge.«
    Häherpfote war sich nicht sicher, ob sie recht hatte. Falls es den Clan-Katzen nicht gelingen sollte, die Eindringlinge zu vertreiben, könnte dem Stamm und den Geistern seiner Vorfahren vielleicht ebenfalls eine Reise bevorstehen.

15. KAPITEL
    Löwenpfote stand neben seiner Schwester und schaute auf den See und die vertrauten Territorien der Clans hinab. Eine Welle der Aufregung durchfuhr ihn, als