Verblendung
Hoffnung zu verlieren, und er fragte sich, ob die ganze Fahrt nach Norsjö überflüssig gewesen war.
Gegen vier Uhr nachmittags parkte Burman das Auto vor einem roten Haus nördlich von Norsjö und stellte Mikael dem pensionierten Tischlermeister Henning Forsman vor.
»Na, das ist doch Assar Brännlunds Junge«, sagte Henning Forsman sofort, als Mikael ihm die Bilder zeigte. Bingo.
»Ach wirklich?«, fragte Eugen. Und an Mikael gewandt: »Das war ein Einkäufer.«
»Wo kann ich ihn finden?«
»Den Jungen? Tja, da kommen Sie zu spät. Er hieß Gunnar und arbeitete bei Boliden. Er kam bei einem Sprengstoffunfall Mitte der siebziger Jahre ums Leben. Aber seine Frau lebt noch. Die von dem Bild hier. Sie heißt Mildred und wohnt in Bjursele.«
»Bjursele?«
»Das ist knapp eine Meile die Straße nach Bastuträsk runter. Sie wohnt in der länglichen roten Bruchbude gleich rechts, wenn Sie in die Stadt kommen. Das dritte Haus ist das. Ich kenne die Familie ziemlich gut.«
»Guten Tag, ich bin Lisbeth Salander und schreibe eine kriminologische Abhandlung über Gewalt gegen Frauen im 20. Jahrhundert. Ich würde gerne das Polizeirevier in Landskrona besuchen und die Akten zu einem Fall von 1957 einsehen. Es geht um den Mord an einer fünfundvierzigjährigen Frau namens Rakel Lunde. Wissen Sie zufällig, wo man diese Akten heute finden kann?«
Bjursele war das reinste Werbeplakat für die ländliche Västerbotten-Region. Das Dorf bestand aus zwanzig Häusern, die am Ende eines Sees halbkreisförmig und relativ dicht nebeneinanderstanden. In der Mitte des Dorfes gabelte sich eine Straße, dort wies ein Pfeil nach Hemmingen, 11 km, und einer nach Bastuträsk, 17 km. Daneben war eine Brücke, die über einen kleinen Fluss führte. Im Hochsommer musste es hier so aussehen wie auf einer Postkarte.
Mikael hatte sein Auto auf dem Parkplatz des Supermarktes geparkt, schräg gegenüber vom dritten Haus auf der rechten Seite. Als er klopfte, war niemand da.
Er ging eine Stunde lang auf der Straße nach Hemmingen spazieren und passierte eine Stelle, an der sich der kleine Fluss in einen reißenden Strom verwandelte. Dort kehrte er wieder um. Die einzigen Lebewesen, die ihm begegneten, waren zwei Katzen und ein Reh. Mildred Brännlunds Tür war immer noch verschlossen.
An einem Pfosten bei der Brücke entdeckte er ein zerfleddertes Flugblatt, das zum BTCC einlud, den »Bjursele Tukting Car Championships 2002«. Tukting war anscheinend ein winterliches Vergnügen, bei dem man Autos auf dem zugefrorenen See zu Schrott fuhr. Nachdenklich betrachtete Mikael den Anschlag.
Er wartete bis zehn Uhr abends, dann gab er auf und fuhr nach Norsjö zurück, wo er ein spätes Abendessen zu sich nahm und sich dann im Bett der Auflösung von Val McDermids Krimi widmete.
Und die war ziemlich grausig.
Gegen zehn Uhr abends fügte Lisbeth Salander zögerlich einen weiteren Namen zu Harriet Vangers Liste hinzu, nachdem sie ein paar Stunden darüber nachgegrübelt hatte.
Sie hatte eine Abkürzung entdeckt. In regelmäßigen Abständen wurden Artikel über ungelöste Morde veröffentlicht, und in der Sonntagsbeilage einer Abendzeitung hatte sie einen Artikel von 1999 mit der Überschrift Mehrere Frauenmörder immer noch auf freiem Fuß gefunden. Der Artikel war eher summarisch, enthielt aber Namen und Bilder bestimmter Mordopfer, die besondere Aufmerksamkeit erregt und damals offensichtlich den Fortsetzungsroman des Sommers geliefert hatten: Da gab es den Solveig-Fall in Norrtälje, den Anita-Mord in Norrköping, Margareta in Helsingborg und eine ganze Reihe anderer Fälle.
Der älteste dieser Fälle stammte jedoch aus den sechziger Jahren, und keiner der Morde passte zu der Liste, die Lisbeth von Mikael bekommen hatte. Ein Fall weckte allerdings ihre Aufmerksamkeit.
Im Juni 1962 war eine zweiunddreißigjährige Prostituierte namens Lea Persson aus Göteborg nach Uddevalla gereist, um ihre Mutter und ihren neunjährigen Sohn zu besuchen, für den ihre Mutter das Sorgerecht hatte. Nach ein paar Tagen hatte sich Lea an einem Sonntagabend von ihrer Mutter verabschiedet und war zum Bahnhof aufgebrochen, um nach Göteborg zurückzufahren. Zwei Tage später wurde sie hinter einem Container gefunden, der auf einem ehemaligen Industriegelände zurückgelassen worden war. Sie war vergewaltigt und außergewöhnlich brutal misshandelt worden.
Der Lea-Mord erregte große Aufmerksamkeit und wurde die Fortsetzungsreportage des Sommers,
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