Verblendung
Ich meine, wie ernst ist es denn?«
»Unter uns?«
»Ganz unter uns.«
»Wir haben in den letzten Wochen zwei Großaufträge in der Elektronikindustrie verloren und stehen kurz davor, komplett vom russischen Markt verdrängt zu werden. Im September müssen wir 1600 Angestellte in Örebro und Trollhättan freistellen. Eine Katastrophe für diese Menschen, die jahrelang für das Unternehmen gearbeitet haben. Mit jeder weiteren Fabrik, die wir schließen, wird das Vertrauen in den Konzern weiter untergraben.«
»Martin Vanger steht also gewaltig unter Druck.«
»Er schuftet wie ein Ochse und balanciert dabei auf Eierschalen.«
Mikael ging nach Hause und rief Erika an. Sie war nicht in der Redaktion, also sprach er stattdessen mit Christer Malm.
»Es sieht folgendermaßen aus: Erika hat mich gestern angerufen, als ich auf der Rückfahrt von Norsjö war. Martin Vanger hat ihr in den Ohren gelegen und hat, wie soll ich es formulieren, er hat sie ermuntert, sie solle vorschlagen, dass ich langsam wieder größere Verantwortung in der Redaktion übernehme.«
»Das finde ich auch«, sagte Christer.
»Das verstehe ich ja. Aber ich habe hier einen Vertrag mit Henrik Vanger, den ich nicht brechen kann, und Martin agiert im Auftrag einer Person hier oben, die will, dass ich mit meiner Schnüffelei aufhöre und von hier verschwinde.«
»Verstehe.«
»Schöne Grüße an Erika, ich komme nach Stockholm, sobald ich hier oben fertig bin. Vorher nicht.«
»Alles klar. Du bist vollkommen verrückt. Ich werde es ausrichten.«
»Christer, hier oben ist irgendwas im Gange, und ich habe nicht vor, jetzt einen Rückzieher zu machen.«
Christer stieß einen tiefen Seufzer aus.
Mikael ging zu Martin Vangers Haus und klopfte. Eva Hassel machte ihm auf und grüßte freundlich.
»Hallo. Ist Martin da?«
Wie zur Antwort kam Martin Vanger mit einer Aktentasche heraus. Er küsste Eva auf die Wange und grüßte Mikael.
»Ich bin auf dem Weg ins Büro. Wollten Sie mit mir sprechen?«
»Das können wir auch noch später, wenn Sie es jetzt eilig haben.«
»Schießen Sie los.«
»Ich werde nicht in die Millennium -Redaktion zurückkehren, bevor ich nicht Henrik Vangers Auftrag erledigt habe. Ich informiere Sie nur, damit Sie nicht vor dem Jahreswechsel mit meiner Anwesenheit im Führungskreis rechnen.«
Martin Vanger wiegte sich einen Moment auf den Absätzen vor und zurück.
»Sie glauben offenbar, ich will Sie loswerden.« Er machte ein Pause. »Wir müssen später darüber sprechen, Mikael. Ich habe wirklich nicht die Zeit, mich hobbymäßig der Leitung von Millennium zu widmen, und ich wünschte, ich hätte Henriks Vorschlag nie angenommen. Aber glauben Sie mir - ich werde mein Bestes tun, damit Millennium überlebt.«
»Das habe ich niemals bezweifelt«, antwortete Mikael höflich.
»Wenn wir für nächste Woche einen Termin vereinbaren, können wir eine Stunde lang die wirtschaftliche Situation durchgehen, und ich kann Ihnen erklären, wie ich die Dinge einschätze. Aber im Grunde denke ich, dass das Magazin es sich nicht leisten kann, dass eine seiner Schlüsselfiguren hier auf der Insel sitzt und Däumchen dreht. Ich mag die Zeitschrift, und ich denke, wir können ihr gemeinsam wieder auf die Füße helfen, aber bei dieser Arbeit werden Sie gebraucht. Ich bin hier in einen Loyalitätskonflikt geraten: Entweder ich richte mich nach Henriks Wünschen, oder ich mache meinen Job bei der Führung von Millennium .«
Mikael zog seinen Trainingsanzug an und drehte eine Runde durchs Gelände, bis hin zur Befestigung und hinunter zu Gottfrieds Häuschen, bevor er in langsamerem Tempo am Wasser entlang nach Hause lief. Frode saß an seinem Gartentisch. Er wartete geduldig, während Mikael eine Flasche Wasser trank und sich den Schweiß vom Gesicht wischte.
»Das sieht mir aber nicht gesund aus bei dieser Hitze.«
»Uah«, antwortete Mikael.
»Ich habe mich geirrt. Es ist nicht in erster Linie Cecilia, die Martin in den Ohren liegt. Isabella ist diejenige, die den ganzen Clan aufstachelt, Sie zu teeren und zu federn und nach Möglichkeit auch noch auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Birger unterstützt sie.«
»Isabella?«
»Sie ist ein böser und kleinlicher Mensch, der eigentlich niemanden leiden kann. Doch gegen Sie scheint sie eine ganz besondere Abneigung zu hegen. Sie verbreitet die Behauptung, Sie seien ein Betrüger, der Henrik dazu verleitet hat, Sie anzustellen. Auch seinen Herzanfall lastet sie Ihnen
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