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zufällig den Hedestads-Kuriren abonniert, oder?«
»Nein. Ich lese ihn manchmal in Susannes Café.«
»Dann haben Sie die Morgenausgabe also noch nicht gelesen.«
»Sie sagen das so, als hätte ich das tun sollen.«
Martin Vanger legte den Hedestads-Kuriren vor Mikael auf den Tisch. Man hatte ihm einen Leitartikel über zwei Spalten und eine Fortsetzung auf Seite vier gewidmet. Er betrachtete die Schlagzeile:
Hier versteckt sich der verurteilte Journalist
Der Artikel war mit einem Foto illustriert, das von der anderen Seite der Brücke, vom Kirchhügel aus, mit dem Teleobjektiv aufgenommen worden war. Es zeigte Mikael, wie er gerade aus der Tür des Gästehäuschens trat.
Der Reporter Conny Torsson hatte mit dem Schmähartikel, den er über Mikael zusammengeschustert hatte, ganze Arbeit geleistet. Er skizzierte noch einmal kurz die Wennerström-Affäre und hob hervor, dass Mikael Millennium unter Schimpf und Schande verlassen und kürzlich eine Gefängnisstrafe abgebüßt habe. Der Artikel schloss mit der altbekannten Behauptung, dass Mikael ein Gespräch mit dem Hedestads-Kuriren verweigert habe. Der Ton war so gehalten, dass keinem Bewohner von Hedestad verborgen bleiben konnte, was für ein dubioser Typ hier durch die Gegend schlich. Keine der Behauptungen in diesem Artikel war angreifbar, aber sie waren so dargestellt, dass Mikael mehr als fragwürdig dastand. Sowohl das Bild als auch der Text erinnerten an die Art Artikel, in denen man sonst über politische Terroristen berichtet. Millennium wurde als »Agitationsblatt« mit geringer Glaubwürdigkeit hingestellt und Mikaels Buch über Wirtschaftsjournalismus als ein Sammelsurium »kontroverser Behauptungen« über angesehene Journalisten bezeichnet.
»Mikael … ich kann kaum in Worte fassen, was für Gefühle dieser Artikel in mir hervorgerufen hat. Es ist einfach widerlich.«
»Das war eine Auftragsarbeit«, entgegnete Mikael ruhig. Er sah Martin forschend an.
»Ich hoffe, Ihnen ist klar, dass ich nicht das Geringste damit zu tun habe. Ich hätte mich fast an meinem Morgenkaffee verschluckt, als ich die Zeitung las.«
»Wer steckt dahinter?«
»Ich habe heute Morgen ein paar Telefongespräche geführt. Conny Torsson arbeitet den Sommer über als Aushilfe. Er hat in Birgers Auftrag gehandelt.«
»Ich dachte, Birger hätte keinen Einfluss auf die Redaktion; er ist doch immerhin Gemeinderat und Politiker.«
»Offiziell hat er auch keinen Einfluss. Aber Chefredakteur des Kuriren ist Gunnar Karlman, Sohn von Ingrid Vanger aus Johan Vangers Zweig der Familie. Birger und Gunnar sind seit vielen Jahren eng befreundet.«
»Verstehe.«
»Torsson fliegt mit sofortiger Wirkung raus.«
»Wie alt ist er?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich bin ihm nie begegnet.«
»Schmeißen Sie ihn nicht raus. Als er mich anrief, klang er nach einem ziemlich jungen und unerfahrenen Reporter.«
»Diese Geschichte kann ich ihm nicht durchgehen lassen.«
»Wenn Sie mich fragen, sieht die Situation ein bisschen absurd aus. Der Chefredakteur einer Zeitung, die der Familie Vanger gehört, geht auf eine Zeitschrift los, bei der Henrik Vanger Teilhaber ist und Sie im Führungskreis sitzen. Chefredakteur Karlman attackiert also Sie und Henrik.«
Martin Vanger ließ sich Mikaels Worte durch den Kopf gehen, schüttelte dann aber langsam den Kopf.
»Ich verstehe, was Sie meinen. Ich sollte die Verantwortung an der richtigen Stelle suchen. Karlman ist Teilhaber am Konzern und hat immer aus dem Hinterhalt gegen mich agiert, aber das hier sieht mir eher aus wie Birgers Rache dafür, dass Sie ihn auf dem Krankenhausflur abgefertigt haben. Sie sind ihm ein Dorn im Auge.«
»Ich weiß. Deswegen glaube ich ja auch, dass Torsson immer noch der Unschuldigste in diesem Spiel ist. Es wäre wohl ein bisschen zu viel verlangt von einer jungen Aushilfe, einen Auftrag seines Chefredakteurs zu verweigern.«
»Ich kann verlangen, dass Sie morgen an prominenter Stelle eine öffentliche Entschuldigung bekommen.«
»Lassen Sie’s. Dann zieht sich der Streit nur noch länger hin, und die Situation verschlimmert sich noch mehr.«
»Sie meinen also, ich soll gar nichts unternehmen?«
»Das lohnt sich nicht. Karlman wird sich querstellen, und im schlimmsten Fall werden Sie noch als Gauner hingestellt, der seine Rechte als Eigner missbraucht, um die freie Meinungsbildung zu beeinflussen.«
»Tut mir leid, Mikael, ich kann Ihnen nicht zustimmen. Ich habe tatsächlich auch das Recht,
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