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Verblendung

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Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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Entscheidungen traf. Sein nackter Oberkörper war braun gebrannt, abgesehen von dem hellen Umriss, den sein T-Shirt hinterlassen hatte. Auf dem Kopf trug er einen Cowboyhut.
    »Die Chefin ist noch ein paar Meilen weiter da runter«, sagte er und deutete die Richtung mit dem Daumen an.
    Skeptisch musterte er Mikaels Auto und fügte dann hinzu, es sei wohl keine sonderlich gute Idee, mit einem japanischen Spielzeugauto weiterzufahren. Schließlich verkündete der braun gebrannte Athlet, dass er Mikael dann wohl mit seinem Jeep dorthin bringen würde - dem einzig sinnvollen Fahrzeug für dieses Gelände. Mikael bedankte sich und nahm seine Computertasche mit.
     
    Der Mann stellte sich als Jeff vor und sagte, er sei der Studs Manager at the Station . Mikael bat ihn um eine Übersetzung. Jeff schielte zu Mikael hinüber und stellte fest, dass er wohl nicht aus der Gegend sei. Der Studs Manager , so erklärte er, sei ungefähr das, was der Filialleiter einer Bank ist, nur dass er eben Schafe verwaltete, und Station sei das australische Wort für Ranch.
    Sie unterhielten sich, während Jeff seinen Jeep gemächlich durch eine Schlucht mit einem seitlichen Gefälle von zwanzig Grad lenkte. Mikael dankte seinem guten Stern, dass er nicht versucht hatte, diese Strecke mit seinem Leihauto zurückzulegen. Er erkundigte sich, was unten in der Schlucht sei, und erfuhr, dass dort siebenhundert Schafe weideten.
    »Ich habe gehört, dass die Cochran Farm zu den größeren Farmen gehört.«
    »Wir sind eine der größten in ganz Australien«, entgegnete Jeff mit einem gewissen Stolz in der Stimme. »Wir haben ungefähr 9000 Schafe hier im Makawaka-Distrikt, aber Stations haben wir sowohl in New South Wales als auch in Western Australia. Insgesamt besitzen wir knapp 63 000 Schafe.«
    Sie fuhren aus der Schlucht heraus und durch eine hügelige, weniger unwirtliche Landschaft. Plötzlich hörte Mikael Schüsse. Er sah Schafskadaver, große Feuer und ein Dutzend Farmarbeiter. Es sah so aus, als würden alle Gewehre in der Hand halten. Anscheinend wurden gerade Schafe geschlachtet.
    Unwillkürlich kam Mikael die Assoziation biblischer Opferlämmer in den Sinn.
    Dann erblickte er eine Frau mit Jeans, einem rot-weiß karierten Hemd und kurzen blonden Haaren. Jeff parkte ein paar Meter neben ihr.
    » Hi boss. We got a tourist «, sagte er.
    Mikael stieg aus dem Jeep und sah sie an. Sie erwiderte den Blick mit fragenden Augen.
    »Hej, Harriet. Lange nicht gesehen«, sagte Mikael auf Schwedisch.
    Keiner der Männer, die für Anita Cochran arbeiteten, verstand, was er sagte, aber ihre Reaktion konnten sie deutlich erkennen. Sie trat einen Schritt zurück und sah zu Tode erschrocken aus. Anita Cochrans Männer fühlten sich ganz als Beschützer ihrer Chefin - als sie ihre Reaktion bemerkten, hörten sie auf zu grinsen, richteten sich auf und signalisierten ihre Bereitschaft, gegen den seltsamen Fremden vorzugehen, der ihrem Boss so sichtliches Unbehagen bereitete. Jeffs Freundlichkeit war plötzlich wie weggeblasen, als er einen Schritt auf Mikael zutrat.
    Mikael wurde plötzlich klar, dass er sich in einer entlegenen Gegend auf der anderen Seite der Erdkugel befand, umringt von einem Trupp verschwitzter Schafzüchter mit Schrotflinten. Ein Wort von Anita Cochran, und sie konnten ihn in Stücke reißen.
    Dann war der Augenblick vorüber. Harriet Vanger winkte beschwichtigend ab, und die Männer traten ein paar Schritte zurück. Sie ging auf Mikael zu und blickte ihm in die Augen. Sie war schweißgebadet, ihr Gesicht schmutzig von der Arbeit. Mikael konnte erkennen, dass ihr blondes Haar am Ansatz dunkler nachwuchs. Sie war älter und im Gesicht magerer geworden, hatte sich aber genau zu der schönen Frau entwickelt, die das Konfirmationsfoto prophezeit hatte.
    »Sind wir uns schon einmal irgendwo begegnet?«, fragte Harriet Vanger.
    »Oh ja. Ich heiße Mikael Blomkvist. Sie waren mein Babysitter in dem Sommer, als ich drei Jahre alt war. Sie waren zwölf, dreizehn Jahre alt.«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich ihr Blick aufhellte, und Mikael sah, dass sie sich plötzlich an ihn erinnern konnte. Sie sah verblüfft aus.
    »Was wollen Sie?«
    »Ich bin nicht Ihr Feind, Harriet. Ich bin nicht hier, um Ihnen etwas Böses zu tun. Aber wir müssen uns unterhalten.«
    Sie bat Jeff, die Aufsicht zu übernehmen, und bedeutete Mikael, ihr zu folgen. Gemeinsam gingen sie ungefähr zweihundert Meter weiter, bis sie eine Gruppe weißer Segeltuchzelte an

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